Todesspur
Kommissar mit weit aufgerissenen Augen zu. Als Völxen sein Telefonat beendet hat, wendet er sich an sie. »Frau Tiefenbach, es gibt Zeugen, die das Fahrzeug Ihres Mannes Sonntagnacht am Fundort der Leiche von Olaf Döhring gesehen haben. Am besten, Sie sagen mir, was an jenem Abend geschehen ist.«
»Ich möchte meinen Anwalt anrufen.« Ihre Stimme klingt gehetzt, Völxen spürt, dass sie mit den Nerven am Ende ist und nur noch mit Mühe Haltung bewahrt.
»Bitte. Aber nur von meinem Handy aus«, sagt Völxen streng, denn es gilt auf alle Fälle zu vermeiden, dass sie statt der Nummer des Anwalts womöglich die ihres Mannes wählt und ihn warnt. Während Frau Tiefenbach in ihrer Handtasche wühlt, vermutlich nach einem Adressbuch, ruft eine Stimme von oben: »Wir haben einen Waffenschrank gefunden! Ist verschlossen.«
»Wo ist der Schlüssel?«, will Völxen von der Dame des Hauses wissen.
Olivia Tiefenbach wirft ihm einen bissigen Blick zu. »Das weiß ich nicht. Es ist Vorschrift, dass ich das nicht wissen darf. Kennen Sie die Gesetze nicht, Herr Kommissar?«
Völxen ignoriert ihr kindisches Benehmen und ruft nach oben: »Holt jemanden, der das Ding aufbricht. Und packt alle Computer ein und sämtliche Speichermedien, die ihr finden könnt, die kommen ins LKA !«
Natürlich wissen die Beamten längst, was sie zu tun haben. Es ist ein bisschen Show von Völxen, um der Frau den Ernst der Lage klarzumachen. Aber das ist wohl nicht mehr notwendig, sie hat begriffen, was auf dem Spiel steht. Mit Panik in der Stimme telefoniert sie von Völxens Apparat aus mit der offenbar nicht sehr entgegenkommenden Angestellten einer Anwaltskanzlei. »Das ist mir egal, ob er bei Gericht ist! Er muss mich sofort anrufen, mein Sohn und ich sind verhaftet worden, nach meinem Mann wird gefahndet. Haben Sie das kapiert?«
»Fernando? Wo steckst du eigentlich? Schönen Gruß von Völxen, Tiefenbach ist abgehauen, und du sollst bitte unsere Freundin Stella aufs Präsidium … was ?«
Jule, die gerade zusammen mit Oda das Schulgebäude betritt, verlangsamt ihre Schritte und hält schließlich inne. Sie glaubt, ihren Ohren nicht zu trauen, als Fernando erklärt: »Es war Brandstiftung. Die wollten meine Mutter umbringen! Sie haben sie an einen Stuhl gefesselt und dann Feuer gelegt, vermutlich aus Rache für Tahir. Ich bin hier im Krankenhaus, sie behandeln sie gerade mit Sauerstoff und Kortison. Ich geh hier nicht weg, bis ich weiß, ob sie das überleben wird! Und wenn nicht, dann bringe ich diese Kerle um!«
»Halt mich auf dem Laufenden und mach keinen Scheiß!« Jule wiederholt Fernandos Worte noch einmal für Oda, die neben ihr stehen geblieben ist.
»Mein Gott, wie furchtbar«, flüstert Oda und erbleicht.
»Mit Fernando können wir jetzt nicht rechnen. Ich muss mich um diese Stella kümmern, kannst du den Jungen allein abholen?«, fragt Jule.
»Ja, sicher. Ich sag Völxen Bescheid«, antwortet Oda und greift bereits zum Telefon.
Stella sitzt in der Stadtbahn und kratzt an ihrem absplitternden Nagellack herum. Sie ist auf Hundertachtzig. Kann denn in ihrem Leben nie etwas funktionieren? Was glaubt dieser Typ eigentlich? Dass er sie verarschen kann? Eine Frechheit, Selima ein leeres Päckchen dazulassen. Außerdem muss ihr der Typ einen gehörigen Schrecken eingejagt haben, denn sie hat Stella furchtbar beschimpft, als diese soeben ihr ›Geschenk‹ abgeholt hat. Natürlich hat sie das Gebäude über den Hinterhof betreten, der wiederum über die Scholvinstraße erreichbar ist. Eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass der Vordereingang in der Reuterstraße womöglich beobachtet wird. Sie ist ja nicht blöd, und das ist ihr Revier.
Stella flucht leise vor sich hin. Nicht nur, dass der Typ sie gelinkt hat, es ist fraglich, ob Selima ihr je wieder ihr Zimmer überlassen wird, so sauer, wie die jetzt ist.
Aber was jetzt? Den Kerl noch einmal anrufen, ihm eine zweite Chance geben? Er muss begreifen, dass er damit nicht durchkommt. Gut, vielleicht waren Zehntausend zu viel. Vielleicht sollte sie erst mal weniger verlangen und stattdessen lieber eine dauerhafte Geschäftsbeziehung eingehen. Das alles wächst ihr langsam über den Kopf. Wenn nur Niko hier wäre! Der war zwar nicht der Hellste, aber zu zweit … Sie greift in ihre Handtasche, sucht nach ihrem Flachmann und setzt ihn an die Lippen. Leer! Verdammt! Sie braucht jetzt dringend was zu trinken, aber ein Kiosk kommt nicht infrage, ihr Geld ist alle, sie fährt
Weitere Kostenlose Bücher