Todesspur
Hauptkommissar fühlt sich wie in einer griechischen Tragödie. Die reinste Zwickmühle: Egal, welchen Schritt man tut, es endet immer böse. Ein Klopfen ertönt. »Ja«, ruft er, noch letzte Zornesreste im Ton.
Eine gepflegte, dunkelblonde Frau um die vierzig fegt zur Tür herein, wirft einen irritierten Blick auf Oscar, der Anstalten macht, auf sie zuzulaufen, und fragt dann: »Sind Sie der zuständige Kommissar, der den Tod von Olaf Döhring bearbeitet?«
»Platz«, donnert Völxen und sagt dann zu der Frau: »Ja, ich bin Hauptkommissar Völxen, was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin die Mutter von Florian Wächter, einem Freund von Olaf Döhring. Und das hier war heute früh in unserem Briefkasten!« Sie knallt ein weißes DIN - A 4 -Blatt in einer Prospekthülle auf Völxens Schreibtisch. Darauf steht in übergroßen, fett gedruckten Lettern: Du wirst auch bald sterben .
Darunter wurden mit dickem schwarzem Filzstift ein paar arabische Schriftzeichen gemalt.
»Und Cornelius Seifert hat dasselbe bekommen!«, erzählt Frau Wächter atemlos.
»Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal. Wir gehen der Sache umgehend nach.«
»Das reicht mir nicht. Ich möchte Polizeischutz für meinen Sohn!«
»War ein Umschlag dabei?«, fragt Völxen.
»Nein. Es war so im Briefkasten, einmal gefaltet. Die Hülle stammt von mir. Ich dachte, wegen der Fingerabdrücke.«
»Das war sehr klug von Ihnen«, lobt Völxen. »Wer von Ihrer Familie hat es noch angefasst?«
»Nur ich!«
»Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke zum Vergleich. Dann schicken wir es ans LKA .«
»Und was ist mit dem Polizeischutz?«
»Das halte ich vorerst nicht für notwendig.«
»Was?!«, ruft sie erbost.
»Ehrlich gesagt, sieht mir das doch eher nach einem geschmacklosen Streich aus.«
»Haben Sie diese arabischen Schriftzeichen nicht gesehen?«
»Doch. Die kopiert man sich aus dem Internet, damit es gefährlich wirkt.«
»Sie haben ja Nerven«, schnaubt die Besucherin.
»Die brauche ich auch«, versetzt Völxen und will wissen: »Hat Ihr Sohn eine Vermutung geäußert, wer dahinterstecken könnte?«
»Nein. Aber eins sage ich Ihnen: Wenn meinem Sohn etwas zustößt, mache ich Sie persönlich dafür verantwortlich.«
»Das ist mir klar«, antwortet Völxen ruhig. »Und sagen Sie Cornelius Seifert, dass wir seinen Drohbrief auch brauchen. Mit möglichst wenig Fingerabdrücken darauf.«
28
»Unser verschiedener Freund hat gelegentlich für einen Inkassodienst gearbeitet, der wiederum Kredithaie als Klienten hatte. Ihr wisst schon, diese Anzeigen in den Zeitungen: Bargeld sofort ohne Schufa-Auskunft . Der Inhaber der Firma ist – wie soll es auch anders sein – ein Russe.« Dünnbier und Iwanow sitzen auf dem Sofa in Völxens Büro und berichten, was sie über den ermordeten Niko Riepke herausgefunden haben.
»Der Inkassomann hat natürlich ein Alibi für den Montagabend«, fügt Iwanow hinzu.
»Von anderen Russen«, ergänzt Dünnbier, und Oda wirft ein: »Bächle meint, der Schuss hat gesessen. Ein Profi oder ein glücklicher Zufall.«
»Das würde ja passen. Aber warum sollte der Inkasso-Typ Niko erledigen wollen?«, überlegt Völxen laut.
»Vielleicht wollte er aussteigen und wusste zu viel«, orakelt Dünnbier. »Mein Kollege hier … «, er wirft Iwanow einen vielsagenden Blick zu, »… hat immerhin aus ihm rausgequetscht, wer die letzten Kunden waren, denen Niko einen Besuch abgestattet hat.«
Iwanow grinst, und von Völxens Hund einmal abgesehen ist jedem im Raum klar, dass man ›rausgequetscht‹ in diesem Fall wörtlich nehmen kann.
»Das waren zwei Kneipeninhaber, einer aus der Nordstadt und einer aus Ricklingen, und zwei alleinerziehende Mütter aus Linden. Netter Nebenjob, Müttern Angst einjagen. Werde ich auch mal machen, wenn ich in Rente bin«, bemerkt Dünnbier.
»Die Kneipiers, habt ihr euch die angesehen?«, fragt Völxen.
»Ja, klar. Der aus Ricklingen hat ein Alibi, die Kneipe war offen. Der aus der Nordstadt hat am Montag Ruhetag und war angeblich allein zu Hause. Die Adresse habe ich eurer Sekretärin gegeben, ihr könnt ihn ja vorladen.«
»Also ich an seiner Stelle würde eher den Inkasso-Menschen oder noch besser den Kredithai selbst erledigen«, überlegt Jule. »Dieser Niko war doch nur der Bote.«
»Ja – du«, entgegnet Oda gedehnt. »Es gibt aber zu bedenken, dass solche Taten häufig nicht mit einem Hochschulabschluss einhergehen.«
Dünnbier grinst. Er und Iwanow verabschieden sich, Völxen dankt
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