Todesspur
in Helen Freys Wohnung. Klara lag voll angezogen auf einem Sessel, und ihr Kopf war in einem unnatürlichen Winkel zur Seite gedreht. Über ihre Kehle zog sich ein tiefer, dunkelroter Einschnitt, der in ihrem Genick verschwand.
»Er war hier«, sagte Paula leise.
Trotz Newmans Warnung war sie Tweed in die Wohnung gefolgt. Sie zog ihre Gummihandschuhe an, und Tweed ging langsam zur Rückseite des Sessels. Wieder war der Kopf fast vom Hals abgetrennt worden.
Paula schnüffelte, runzelte die Stirn, begann, in der Wohnung herumzuwandern, wobei sie darauf achtete, nichts zu berühren.
»Was ist?« fragte Tweed.
»Zigarrenrauch …« Sie wanderte langsam weiter/ bahnte sich ihren Weg zwischen Sesseln hindurch, ging an einer großen Couch entlang. »Ich hab’s«, rief sie.
Sie holte einen Plastikbeutel aus ihrer Umhängetasche, Newman trat neben sie. Auf einem kleinen, von der Lehne der Couch verborgenen Kacheltisch stand ein Aschenbecher.
Darin lag eine dicke Rolle Zigarrenasche. Tweed trat zu ihnen, als sie den Aschenbecher mit ihrer behandschuhten Hand ergriff und die Asche in den Beutel kippte. Sie drückte ihn zu, schrieb das Datum darauf – es war der erste März – und einen Namen!
Klara.
»Ihrem Terminkalender zufolge hatte sie um halb zehn einen Kunden«, sagte Newman.
Er führte sie zu einem Tisch, auf dem aufgeschlagen ein neuer Terminkalender lag. 9.30 Uhr. Edwin Allenspach.
Tweed und Paula starrten auf die Eintragung.
»Merkwürdig, daß sie die Anfangsbuchstaben des Namens unterstrichen hat«, bemerkte Paula.
»Das kann alle möglichen Gründe gehabt haben«, tat Newman ihre Bemerkung ab. »Vielleicht war es ein neuer Kunde, und sie wollte nicht vergessen, Nachforschungen anzustellen.« Er warf einen Blick auf Paula. »Vielleicht hatte er auch bestimmte Wünsche, die sie erfüllen sollte«, meinte er, es vorsichtig formulierend.
»Sie meinen Perversitäten«, fuhr Paula auf. »Irgendwie glaube ich nicht, daß Klara so etwas gemacht hat. Und halb zehn am Morgen erscheint mir reichlich früh für… wenn ich auch glaube, daß manche Männer …«
Sie brach ab, als sie sah, daß Newman sie musterte. Sie lächelte ihn an.
»Sie wissen schon, was
ich
meine.«
»Ich frage mich, wer von Ihnen beiden recht hat«, sagte Tweed.
Er betrachtete immer noch die Eintragung, unternahm aber keinen Versuch zu erklären, was ihm durch den Kopf ging. Dann trat er in die Mitte des Zimmers, ließ den Blick schnell darüber schweifen, prägte sich jedes Detail ein.
»Wieder keinerlei Anzeichen dafür, daß die Wohnung ausgeraubt oder durchsucht worden ist.« Paula begriff, daß er mit sich selbst redete. Er fuhr fort. »Also ist der Mörder, wer immer es gewesen sein mag, nur gekommen, um sie zu ermorden. Er beseitigt systematisch sämtliche Leute, die über wichtige Informationen verfügen könnten.«
»Vielleicht ist es auch nur eine Angewohnheit von ihm«, sagte Newman in dem Versuch, die bedrückende Atmosphäre mit ein bißchen schwarzem Humor zu lockern. »Es könnte ein Psychopath gewesen sein.«
»Das glaube ich nicht«, fuhr Tweed auf. »Ja, er beseitigt systematisch alle möglichen Zeugen.«
»Nun, jedenfalls leistet er ganze Arbeit«, bemerkte Newman.
Tweed hatte begonnen, in dem Zimmer herumzuwandern.
Paula, die ihn beobachtete, sah, wie er sich plötzlich mit der Hand auf die Stirn schlug, etwas grunzte, sich versteifte.
»Wenn wir hinausgehen, werde ich meine paar Brocken Deutsch zusammenklauben und mein Glück bei der alten Schnüffelnase unten versuchen. Ich habe die schmutzige Bemerkung verstanden, die sie gemacht hat. Vielleicht hat sie gesehen, wie er kam oder ging. Sie gehört zu dem Typ, der unbedingt wissen will, was andere Leute tun. Außerdem vermute ich, daß sie ziemlich habgierig ist.«
»Diesen Mord müssen wir melden«, sagte Newman. »Ich weiß, daß wir aus Helen Freys Wohnung klammheimlich verschwunden sind …«
»Es war wichtig, daß wir nicht in eine Morduntersuchung verstrickt und aufgehalten wurden. Diesen Mord wollte ich ohnehin melden«, pflichtete Tweed ihm bei. »Aber mir macht etwas anderes Sorgen. Deshalb müssen wir noch etwas warten, bevor wir die Polizei informieren.«
Als sie die Steintreppe wieder hinabstiegen, wurde die Tür im Erdgeschoß geöffnet, und die alte Schnüffelnase stand da, mit den Händen auf den Hüften.
»Das ging aber schnell«, höhnte sie. »Leicht verdientes Geld für die Frau da oben.«
»Ich möchte Sie etwas fragen«, sagte Tweed
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