Todesspur
Paula in seine Freundlichkeit ein. Er griff in eine Schublade, als Paula zum ersten Mal das Wort ergriff.
»Ich habe noch nie ein so leeres Büro gesehen. Kein Aktenschrank, keine Regale – nur Sie und Ihr Schreibtisch.«
»Und ich selber.« Er lächelte sie wieder an, während er einen Notizblock auf den Schreibtisch legte. Er schrieb etwas darauf, in gut leserlicher Schrift. »Meine Akten liegen in einem Banktresor. Ich respektiere das Vertrauen, das meine Klienten in mich setzen. Außerdem habe ich einen geheimen Aktenschrank in meinem Kopf.« Strebel riß von dem Block das oberste Blatt ab, faltete es zusammen und reichte es Tweed über den Schreibtisch hinweg.
»Das ist Klaras neue Adresse. Sie wohnt in dieser Altstadt. Zu Fuß keine fünf Minuten von hier entfernt.«
Tweed lächelte und schob den Geldschein über den Schreibtisch. Der Schweizer nahm ihn und verstaute ihn in seiner Brieftasche.
»Sie haben es also die ganze Zeit gewußt?« fragte Paula.
»In meiner Profession wird man dafür bezahlt, daß man die Informationen beschafft, die ein Klient haben möchte.
Mr. Tweed hat für das bezahlt, was ich weiß.«
»Ich habe es Ihnen schon öfters gesagt, Paula«, erinnerte Tweed sie. »Es geht nicht immer darum, daß man etwas weiß.
Wichtiger ist es, zu wissen, wo man etwas finden kann.«
»Waren Sie früher bei der Polizei?« fragte Strebel.
Ein scharf beobachtender Mann, dachte Tweed. Es war das erste Mal, daß ihm die Frage in dieser Form gestellt worden war.
»Ich war vor langer Zeit bei der Mordkommission von Scotland Yard«, sagte er.
»Und er war der jüngste Superintendent, den es bis dahin im Yard gegeben hatte«, teilte Paula Strebel mit. »Die Details sind hier nicht von Interesse«, fuhr Tweed sie an.
»Das glaube ich ohne weiteres«, sagte Strebel zu Paula.
»Mr. Tweed, vielleicht könnten wir ein Glas miteinander trinken, bevor Sie Zürich wieder verlassen. Wir könnten Erfahrungen austauschen – ich meine, aus Ihrer Zeit im Yard«, setzte er schnell hinzu.
»Es wäre mir ein Vergnügen.«
Strebel begleitete sie zur Tür, nachdem er auf einen Knopf unter seinem Schreibtisch gedrückt hatte. Er reichte beiden zum Abschied die Hand, und als Paula die äußere Tür erreicht hatte und sich noch einmal umdrehte, lächelte er abermals und neigte den Kopf.
»Was für ein netter Mann«, sagte Paula, nachdem Tweed die äußere Tür geschlossen hatte. »Ich habe mir Privatdetektive immer als widerliche kleine Männer in schäbigen Regenmänteln vorgestellt.«
»Ich vermute, daß Strebel früher bei der Schweizer Polizei war. Durchaus möglich, daß er Beck kennt.«
Newman wartete am Ende des dunklen Flurs auf sie. Er kam sofort auf Tweed zu.
»Jemand hat unten die Tür aufgemacht und wollte offenbar hereinkommen. Ich vermute, er hat mich gesehen und es sich dann anders überlegt. Ich konnte nicht sehen, wer es war.«
»Leute, die im Begriff sind, einen Privatdetektiv aufzusuchen, wollen oft nicht gesehen werden. Wir haben Klaras neue Adresse …«
Draußen auf dem unebenen Pflaster, das wie die umliegenden Häuser aussah, als existierte es bereits seit Jahrhunderten, konsultierte Paula ihren Stadtplan. Sie schaute zur anderen Seite des einsamen Platzes, an dessen Rand sie standen. Rings um den Platz herum standen uralte sechsstöckige Häuser.
»Klara wohnt an der gegenüberliegenden Seite dieses Platzes. Nr. 10.«
Der Hausflur ähnelte dem, den sie gerade verlassen hatten. Als sie eintraten, wurde im Erdgeschoß eine Tür geöffnet, und eine hakennasige Frau mit Knopfaugen in einem schwarzen Kleid schaute heraus.
»Wollen Sie zu der Frau, die gerade oben eingezogen ist?«
Ihre dünnen Lippen verzogen sich. »Manchen Leuten scheint es völlig egal zu sein, womit sie ihr Geld verdienen.
Was ist es diesmal – ein gemischtes Doppel?«
Sie knallte die Tür zu, bevor Tweed etwas erwidern konnte. Newman ging auf der alten, mit einem Eisengeländer versehenen Steintreppe voraus und blieb dann kurz vor der einzigen Tür in diesem Stockwerk stehen. Tweed und Paula schauten an ihm vorbei. Die Tür stand einen Spaltbreit offen.
Newman hatte seinen Smith & Wesson in der Hand. Er bewegte sich leise auf die Tür zu, blieb stehen, um zu lauschen, dann stieß er die Tür mit der Linken weiter auf, tat einen Schritt hinein, erstarrte. Dann rief er über die Schulter:
»Paula, kommen Sie um Gottes Willen nicht herein …«
24. Kapitel
Es war eine Wiederholung der grauenhaften Tragödie
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