Todesspur
Paula zurück.
»Kommen Sie herein.«
Es ertönte ein Geräusch, das dem Summer ähnelte, mit dem Helen Frey ihnen ihre Tür am Rennweg geöffnet hatte.
Tweed schob die schwere Tür auf, die langsam nach innen aufschwang.
»Guten Morgen, Mr. Tweed. Auch Ihnen, mein Fräulein.«
Ein sehr dicker Mann in einem schwarzen Anzug saß an einem Schreibtisch. Er hatte dunkles Haar, das glatt über den massigen Schädel gekämmt war. Unter einer kurzen Stupsnase saß ein gleichfalls dunkler Schnurrbart. Als sie in sein Büro eintraten, ging die Tür hinter ihnen automatisch wieder zu. Paula hörte, wie das Schloß klickte, und hatte das Gefühl, in einer Falle zu sitzen.
»Sie sind Mr. Tweed. Sie entsprechen Mrs. Ambergs Beschreibung. Bitte nehmen Sie Platz, alle beide. Und was kann ich tun für meinen neuesten Klienten?«
»Sie sind Theo Strebel?«
»Der große Detektiv höchstpersönlich.«
Als Paula Tweeds Beispiel folgte und sich dem Schweizer gegenüber auf einem Stuhl niederließ, stellte sie fest, daß Strebel ihr sympathisch war. Er strahlte die Energie und gute Laune aus, die oft typisch sind für dicke Männer, Er stützte beide Ellenbogen auf den Schreibtisch, faltete die überraschend kleinen Hände unter dem fülligen Kinn und lächelte.
»Der Ball ist auf. Ihrem Feld, Mr. Tweed.«
»Ich wüßte gern die neue Adresse einer Frau, die in der Wohnung neben der von Helen Frey gewohnt hat…«
»Über deren Ermordnung ausführlich in der Zeitung berichtet wurde. Also?«
»Ich möchte, daß Sie herausfinden, wohin Helen Freys Freundin verschwunden ist. Ich weiß nur Ihren Vornamen.
Klara.«
»Und haben Sie irgendeinen Hinweis auf ihren Beruf?
Hinweise sind mein Lebensblut, Mr. Tweed.«
»Sie ist ein teures Callgirl. Genau wie Helen Frey.«
»Ich weiß Ihre Angabe zu würdigen. Jedermann muß sich seinen Lebensunterhalt verdienen. Diese Profession kann höchst gefährlich sein – wie die neuesten Nachrichten bestätigen. Die Frauen haben Anspruch auf die hohen Beträge, die sie für ihre Dienste fordern. Gefahrenzulage, Mr. Tweed.«
»Ich muß dringend wissen, wo sie steckt.«
»Eins nach dem anderen, Mr, Tweed. Würden Sie mir bitte einen Ausweis zeigen? Die Beschreibung mag auf Sie passen, aber ich stehe in dem Ruf, der vorsichtigste Mann in ganz Zürich zu sein.« Tweed hätte ihm seinen Führerschein zeigen können.
Doch nachdem er Strebel abgeschätzt hatte, zog er statt dessen seinen Sonderdezernats-Ausweis aus der Tasche, ein Dokument, das im Keller des Hauses am Park Crescent gefälscht worden war, als das Haus noch gestanden hatte.
Strebel hob die dicken Brauen, betrachtete den Ausweis und gab ihn Tweed dann zurück.
»Sonderdezernat? Ich fühle mich geehrt«, sagte er ernst.
»Sie sind eine neue Erfahrung für mich.«
»Mir ist völlig klar, daß ich hier keinerlei Befugnisse habe«, erklärte Tweed schnell.
»Ich hatte nicht vor, Sie darauf hinzuweisen.« Er verschränkte die Hände abermals unter dem Kinn. »Da sind gewisse Leute, die hier in Zürich herumlaufen. Ich habe Andeutungen gehört, weshalb Sie hier sind. Das könnte Gefahr für mich bedeuten.«
»Weshalb sagen Sie das?« fragte Tweed.
»Darüber kann ich mich nicht äußern.«
»Mr. Strebel, ich weiß, daß Sie das Haus Rennweg 590 beobachtet haben. Können Sie mir sagen, wer Helen Frey in letzter Zeit besucht hat – abgesehen von Julius Amberg?«
»Ah! Julius …« Der Schweizer schwieg einen Moment.
»Ich kann keine Informationen preisgeben, die meine Klienten betreffen.«
»Hier geht es jetzt um Mord – um einen besonders gräßlichen Mord.«
»Zugegeben, Mr. Tweed. Zugegeben. Sagen wir, ich habe jemanden aus Ihrem Land dabei beobachtet, wie er das Haus betrat, und belassen wir es dabei.«
»Sie wollen nicht einmal eine Andeutung machen?«
»Das habe ich bereits getan, Mr. Tweed.«
»Danke. Aber ich muß trotzdem wissen, wo ich Klara finden kann.«
»Das könnte einige Zeit dauern. Zürich ist eine verwinkelte Stadt. Es gibt zwei Altstädte – die eine, in der Sie sich jetzt befinden, und eine ebenso verwinkelte Gegend am anderen Ufer der Limmat.«
»Viel Zeit habe ich nicht, Mr. Strebel.« »Schnelles Beschaffen von Informationen ist teurer. Mein Honorar würde tausend Schweizer Franken betragen.«
Tweed zog seine Brieftasche, entnahm ihr einen Tausend-Franken und legte ihn auf den Schreibtisch, ließ aber die Hand darauf liegen. Strebel bedachte ihn mit seinem freundlichen Lächeln und bezog auch
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