Todesspur
sagte Tweed, »halten Sie die Augen offen und achten Sie auf alles, was irgendwie ungewöhnlich ist. Mir gefällt der Frieden nicht, den wir bisher gehabt haben.«
»Mir auch nicht«, erwiderte Butler.
Nield reagierte ähnlich wie Butler, als Tweed auch mit ihm sprach.
»Fahren wir weiter«, befahl Tweed. »Und zwar mit äußerster Vorsicht.«
Nachdem sie den Col de la Schlucht hinter sich hatten, fiel die Straße in einer Folge sehr enger Haarnadelkurven steil ab. Während ihres kurzen Halts war Paula die unheimliche Stille aufgefallen, die sich über die Vogesen herabgesenkt hatte. Eine bedrückende Stille, die man fast hören konnte. Sie saß steif aufgerichtet da und starrte nach vorn.
Zu ihrer Linken begannen die Berge steil anzusteigen. Zu ihrer Rechten wurde der Abgrund zu einem weißen, scheinbar bodenlosen Nichts. Marler hatte die Tränengaspistole auf seinen Schoß gelegt und reckte den Hals, um die Höhe abzusuchen. Es war Butler, der sie als erster warnte.
»Alle Schritt fahren und bereit sein, jeden Moment anzuhalten. Zwei Männer auf dem Gipfel der großen Klippe vor uns.«
»Verstanden«, erwiderte Tweed, auf einer kurzen geraden Strecke das Lenkrad mit nur einer Hand haltend.
Er hatte gerade aufgehört zu sprechen, als Nield sich meldete. In seiner Stimme lag ein dringlicher Ton.
»Wir werden verfolgt. Verdammt großer Laster. Von Nestle. Ein paar hundert Meter hinter mir, kommt schnell näher.«
In einiger Entfernung, dicht vor einer weiteren Kurve, hatte Butler seine Maschine aufgebockt und begonnen, in einer Rinne hinaufzuklettern. Marler bat Newman, anzuhalten, und sprang aus dem Wagen, mit dem Armalite in der linken und der Tränengaspistole in der rechten Hand. Sich dicht an der Felswand haltend, rannte er die vereiste Straße entlang wie ein Marathonläufer, erreichte die Rinne und kletterte dicht hinter Butler hinauf.
Paula hatte ihr Fernglas auf die Felswand an der Kurve gerichtet. Sie schürzte die Lippen, bevor sie sprach.
»Da ist eine riesige Granitwand, die dort in der Kurve fast senkrecht aufragt. Offensichtlich instabil. Ich bin sicher, daß man sie mit einem Stahlnetz gesichert hat.«
Tweed nickte und brachte den Espace zum Stehen. Paulas Beobachtung war beunruhigend. Da lag etwas vor ihnen, das sehr gefährlich sein konnte – und hinter ihnen kam, sich sehr schnell nähernd, dieser Nestle-Laster heran, auf den Nield hingewiesen hatte. Tweed glaubte nicht, daß diese beiden Tatbestände Zufall waren. Es war eine Zangenbewegung, die ihr Ende bedeuten konnte und eindeutig Nortons Handschrift trug.
»Ich sollte lieber losgehen und den beiden den Rücken decken«, meinte Paula.
Tweed fuhr auf seinem Sitz herum und ergriff ihren Arm, als sie versuchte, sich an Amberg vorbeizuschieben. Er schüttelte den Kopf.
»Sie bleiben hier. Marler und Butler werden mit zwei Gangstern spielend fertig. Ich hoffe nur, daß es ihnen gelingt, den Weg freizumachen, bevor dieser Laster hinter uns herangekommen ist. Er wird versuchen, uns alle von der Straße zu drängen und in die ewigen Jagdgründe zu verfrachten.«
»Wenn ich jetzt loslaufe bis hinter den BMW, könnte ich wahrscheinlich den Fahrer des Lasters erschießen«, erklärte Eve.
»Sie bleiben auch hier. Niemand rührt sich von der Stelle«, befahl Tweed.
»Wollen wir einfach hier sitzen bleiben?« fragte Amberg.
»Genau das werden wir tun.«
»Irgend jemand muß doch etwas unternehmen«, beharrte Amberg.
»Zwei Männer unternehmen etwas«, erwiderte Tweed ebenso entschieden wie zuvor. »Und Sie können auch etwas tun – den Mund halten.«
Ähnliche Reaktionen hatte Tweed schon häufig erlebt. In einer Krise konnten die Leute einfach nicht abwarten. Um ihre Nerven zu beruhigen, brauchten sie Aktion – es verlangte sie danach, sich zu bewegen. Aber häufig war es sicherer, abzuwarten – sofern Gegenmaßnahmen eingeleitet worden waren. Und das war hier der Fall.
Butler und Marler hatten sich bis zum oberen Ende der Rinne hochgearbeitet. Butler spähte über den Rand eines Felsbrockens hinweg. Dann duckte er sich wieder und drehte sich zu Marler um, der sich dicht unterhalb von ihm befand.
»Riskant«, berichtete er. »Zwei Gangster ungefähr zehn Meter entfernt. Die Kuppe der Klippe ist eben. Mit Felsbrocken übersät.«
»Ich könnte sie mit dem Armalite erwischen.« »So einfach ist es nicht«, widersprach Butler. »Sie haben vor, die Klippe zu sprengen und auf die Straße stürzen zu lassen.« »Woher wissen Sie
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