Todesstatte
Geheimdienstmitarbeiter anderer Staatsorgane zusammengetragen hatten, obwohl er wusste, dass es dauern würde, bis er Antwort bekam.
Dann fragte er sich, gegen welches Gesetz diese Straftat wohl verstieÃ, und konsultierte ein Gesetzesregister. Der Anatomy Act und der Human Tissues Act beinhalteten die anatomische Untersuchung von Leichen beziehungsweise das Entfernen von Organen bei Verstorbenen. Das traf jedoch nicht ganz zu. Auf jeden Fall betrug die Höchststrafe in beiden Fällen drei Monate Gefängnis und war damit kaum der Rede wert. Er fand auÃerdem die Definition einer »Person, die rechtmäÃig im Besitz der Leiche ist«, aber auch das war weder ganz zutreffend noch besonders hilfreich. Und die einzige weitere Erwähnung fand er in Sektion 70 des Sexual Offences Act â das sexuelle Penetrieren einer Leiche. Doch darüber dachte man am besten gar nicht nach.
Falls sich herausstellen sollte, dass Audrey Steele ihren Sarg hatte räumen müssen, um einer Leiche Platz zu machen, die nicht eines natürlichen Todes gestorben war, würde das geringfügigere Vergehen ohnehin irrelevant werden. Der Fall würde sofort zu einer Morduntersuchung eskalieren.
Cooper bekam bei dem Gedanken daran Herzklopfen. Alles hing davon ab, was er in den nächsten Tagen unternahm.
Er würde noch einmal das Verzeichnis vermisster Personen durchkämmen müssen, und zwar mindestens die letzten achtzehn Monate.Wenn es ihm gelang, die Liste einzugrenzen und ein paar Verbindungen herzustellen, wäre er schon einen Schritt weiter.
Als Erstes rief er im Eden-Valley-Krematorium an, um einen Termin mit dem Chef zu vereinbaren. Es handelte sich um eine privatwirtschaftliche Anlage, die von einer Firma aus East Anglia errichtet worden war, um der wachsenden Nachfrage nach Einäscherungen nachzukommen. Der Name des Chefs war Lloyd, und er stand den ganzen Vormittag in seinem Büro für ein Gespräch zu Verfügung. Cooper griff nach seinen Autoschlüsseln und seinem Notizbuch.
»Wo willst du hin, Ben?«, erkundigte sich Fry.
»Ins Krematorium.«
Sie hielt inne und starrte ihm nach, als er durch die Tür ging.
»Warum?«
Cooper hörte sie, blieb jedoch nicht stehen. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, glaubte er, ihre Stimme hinter sich zu hören, als er den Flur entlangging. Er würde es ihr später erklären.Vorerst würde sie sich damit abfinden müssen, nur teilweise informiert zu sein.
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Fry hatte eigentlich keine Zeit, um sich Gedanken wegen Ben Cooper zu machen. Als ihr Telefon klingelte, war Gavin Murfin am Apparat und bat sie, in den Kontrollraum der Ãberwachungskameras zu kommen.
»Wir haben da etwas, was du bestimmt sehen möchtest«, sagte er.
Die Belegschaft des Kontrollraums überwachte die Kameras, die in den StraÃen im Zentrum von Edendale angebracht waren. Sie waren auf hohen Pfosten oder Gebäuden montiert, lieÃen sich um dreihundertsechzig Grad drehen, um Rundumsicht zu gewährleisten, und konnten verdächtige Personen heranzoomen. Im Gegensatz zu dem privaten Sicherheitssystem im Clappergate-Parkhaus waren alle diese Kameras funktionstüchtig und wurden ständig überwacht.
Als Fry eintraf, druckte ein Mitarbeiter des Ãberwachungsteams gerade ein paar Screenshots für Murfin aus, der mit sich zufrieden zu sein schien.
»Wir haben sämtliche Videobänder aus den Ãberwachungskameras durchforscht«, sagte er. »Nicht aus den Kameras im Parkhaus, sondern aus denen im Stadtzentrum. Erinnerst du dich, dass wir alle Fahrzeuge im Parkhaus ausschlieÃen konnten? Und wir hatten vermutet, dass unser Mann Sandra Birley auf die StraÃe hinausgeführt haben muss...«
»Ja?«
»Tja, wir haben eine mögliche Sichtung Ecke Hardwick Road, New Street.«
»Lass mich mal sehen.«
Das Band wurde für sie zurückgespult. Es stammte aus einer Kamera, die hoch über der New Street angebracht war, in der Nähe der Ampel am Beginn des für den Verkehr gesperrten Abschnitts der Clappergate. Sieben Uhr fünfundvierzig. Selbstverständlich war es um diese Zeit bereits ziemlich dunkel gewesen, doch die StraÃenbeleuchtung war angeschaltet und die Bildqualität deshalb überraschend gut. Zunächst war die StraÃe menschenleer, und man sah nur die Bremsleuchten eines Fahrzeugs, das sich von der Kamera entfernte.
Dann tauchte jedoch
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