Todesstoß / Thriller
Detectives als edle Ritter dargestellt, was den Cops unendlich peinlich war.
Jeff warf Eve einen mitfühlenden Blick zu. »Meine Frau hat mich auch gezwungen, den Test zu machen.«
Eves Lippen zuckten. »Und? Haben Sie bestanden?«
»Na klar. Man kann nicht jahrelang glücklich verheiratet sein, ohne sich erfolgreich durch solche Situationen zu schwindeln.« Mit einem Augenzwinkern nahm er das Bier und brachte es seinen wartenden Freunden, allesamt Polizisten, die im Augenblick nicht im Dienst waren und Sal’s Bar zu ihrem zweiten Wohnzimmer erklärt hatten.
Callie verdrehte die Augen, sobald Jeff außer Sicht war. »Wenn er nur die Hälfte der Zeit, die er hier ist, mit seiner Frau verbringen würde, dann müsste er sich nicht durch den Test schwindeln«, murmelte sie.
»Urteile nicht vorschnell«, sagte Eve, während sie Gin in zwei Gläser mit Eis goss. »Jeffs Frau arbeitet abends im Krankenhaus. Wenn er freihat, bleibt er hier, bis sie Feierabend macht ,und geht dann mit ihr nach Hause.«
Callie zog die Brauen zusammen. »Und wer passt auf die Kinder auf?«
»Sie haben keine.« Aber nicht, weil sie nicht wollten, wie Jeff ihr einmal anvertraut hatte, als die Bar fast leer gewesen war und er ein wenig zu viel getrunken hatte. Der Druck hätte beinahe die Ehe zerstört. Eve verstand seinen Schmerz weit besser, als Jeff ahnen konnte. Weit besser, als ihr jemals jemand anmerken würde. Nicht einmal Callie. »Wahrscheinlich ist es ihm zu still in seinem Haus.«
Callie seufzte. »Sollte ich vielleicht noch etwas wissen, um nicht in irgendein Fettnäpfchen zu treten?«
Eve überlegte, was sie ihrer Freundin verraten konnte, ohne das Vertrauen zu brechen, das in sie gesetzt worden war. Sie konnte ja nicht einfach ausplaudern, dass einer der Cops an Jeffs Tisch fürchtete, von seiner Frau verlassen zu werden, oder dass die Polizistin am anderen Ende des Raumes gerade die Diagnose Brustkrebs erhalten hatte.
So viele Geheimnisse,
dachte Eve. Zuhören und schweigen waren ihre Möglichkeiten, den Leuten hier zu helfen, während sie selbst ihr Studium der Psychotherapie abschloss. Wenn sie die verdammte Diplomarbeit jemals zu Ende bringen würde, konnte sie also die eine Karriere als professionelle Zuhörerin gegen die nächste eintauschen.
Aber ich werde die Bar vermissen.
Und Sal und seine Frau Josie, die es ihr mit diesem Job ermöglicht hatten, ihr Leben in Minneapolis neu zu beginnen und zu finanzieren. Und auch Jeff und die anderen Stammgäste würden ihr fehlen, denn sie waren längst zu Freunden geworden.
Natürlich würden ihr manche mehr fehlen als andere. Der eine, den sie am meisten vermissen würde, kam sonntags nie, aber das hinderte sie nicht daran, jedes Mal unwillkürlich zur Tür zu blicken, wenn das Glöckchen klingelte. Noah Webster eintreten zu sehen, raubte ihr noch immer regelmäßig den Atem. Er war so groß, so dunkel, so stark.
Nur gucken, nicht anfassen.
Nicht mehr. Wahrscheinlich nie wieder.
Sie sah auf und stellte fest, dass Callie sie beobachtete. Eve deutete auf ein Paar, das ihr nichts anvertraut hatte, dessen Körpersprache aber eindeutig war. »Die beiden haben eine Affäre.«
Callie sah über die Schulter. »Woher weißt du das?«
»Nur so eine Ahnung. Sie mischen sich nicht unters Volk und gucken dauernd auf ihre Handys, aber gehen nie dran. Sie dreht an ihrem Ehering, und wenn der Kerl an die Theke kommt, um den Wein zu holen, ist er nervös. Sie haben also entweder eine Affäre oder planen einen größeren Banküberfall.« Callie lachte, und Eves Lippen verzogen sich. »Ich gehe von Ersterem aus. Sie glauben, dass es niemand bemerkt.«
Callie schüttelte den Kopf. »Das ist aber ziemlich blauäugig.«
»Sie haben eben nur Augen füreinander.«
Callie deutete auf einen jungen Burschen, der mit grimmiger Miene allein an einem Tisch saß. »Und der?«
»Tony Falcone.« Tony hatte offen in der Bar von sich erzählt, daher hatte Eve keine Gewissensbisse. »Er hat letzte Woche zum ersten Mal ein Selbstmordopfer gefunden. War völlig fertig.«
»Sieht aus, als sei er das immer noch«, sagte Callie mitfühlend. »Armer Bursche.«
»Er sagt, er kann die Augen der Frau nicht vergessen. Sie hatte sich die Lider festgeklebt, damit sie offen blieben, und sich dann aufgehängt.«
Callie verzog das Gesicht. »Lieber Himmel. Wie können die Jungs bloß nachts noch schlafen?«
»Sie lernen, damit umzugehen.« Sie begegnete Callies Blick. »Genau wie du.«
»Wie
wir
«, verbesserte
Weitere Kostenlose Bücher