Todessymphonie (German Edition)
Katalogfotos von der Strozzi-Sammlung sind superb. Unglücklicherweise ist JPEG 10334 nicht vollständig übertragen worden. Kannst du die Datei noch einmal separat schicken?
Vielen Dank.
G. Adler
Gavin klickte auf Abschicken und atmete tief durch. Hätte er Ciao schreiben sollen? Oder hätte das dümmlich gewirkt? Was war nur in ihn gefahren? War es zu spät? Könnte er die E-Mail noch rückgängig machen? Was hatte er sich nur gedacht?
Er fuhr sich mit der Hand über den Schädel und bemerkte abwesend, dass seine Haare nachwuchsen. Er würde sich bald wieder rasieren müssen. Nein, jetzt war an der E-Mail nichts mehr zu ändern. Wie seine Mutter immer sagte: „Tue nichts, was du vielleicht bereuen könntest, Gavin.“ Er bereute es nicht wirklich. Die Chancen standen gut, dass jemand, der so groß im Geschäft war wie Tommaso, einen Assistenten hatte, der die E-Mails las und die ursprüngliche Nachricht schon gar nicht von ihm selber gekommen war.
Er verdrängte das Geschehene aus seinem Kopf und schwor sich, nicht weiter darüber nachzudenken. Die restlichen Fotos waren gut, für den Moment konnte er um das fehlende Bild herum arbeiten.
Er arbeitete ruhig, summte nur ab und zu mal vor sich hin, platzierte Fotos hier und da, suchte die schönsten Hintergründe heraus, traf eine Auswahl an Akzentfarben und Rahmen, bis er das sichere Gefühl hatte, die Bilder auf bestmögliche Weise zu präsentieren. Das war ein weiterer Vorteil, für sich allein zu arbeiten – man konnte einen ganzen Nachmittag damit verbringen, darüber zu sinnieren, welcheSchattierungen die Strozzi-Gemälde im besten Licht erscheinen lassen würden. Dabei behielt er stets die Werke im Hinterkopf, die noch aus dem Palazzo Pitti und den Uffizien folgen würden. Ein delikates Unterfangen, hier das richtige Gleichgewicht zu finden. Die Zerbrechlichkeit der uralten Kunstwerke erstaunte ihn immer wieder. Vor allem im Vergleich mit den robusten Optionen, die ein Computer bot – aber in seinen Händen waren alte Meister und neueste Technologie die perfekten Gefährten.
Die gesamten Informationen zu jedem Gemälde mussten auf der jeweiligen Katalogseite mit untergebracht werden; seine Geschichte, Daten und Herkunft, der Hintergrund des Künstlers, die Einflüsse auf seine Arbeit, wer das Geld gespendet hatte, um die Leihgabe zu finanzieren; alle möglichen Kleinigkeiten wurden mit auf die Seiten gequetscht. Es mussten auch kleine PR-Kits erstellt werden und besonders hochwertige Kataloge für die „Freunde des First“, die sie sich nach der Eröffnung der Ausstellung für geladene Gäste mit nach Hause nehmen konnten. Und dann würde der Katalog für die Website und die Galerieausstellungen nachgedruckt werden.
Es gab viel zu tun. Viel, das seine Gedanken von dem ablenkte, was ihn zu Hause erwartete. Das war Gavins größtes Talent. Er konnte sich konzentrieren. Konnte eine Facette seines Seins beiseiteschieben, um eine andere zu erkunden. Er trennte die verschiedenen Aspekte seiner Persönlichkeit schon seit Jahren voneinander.
8. KAPITEL
Mitglied der Behavioral Analysis Unit zu sein, bedeutete vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche bereitzustehen, und so gab es, wenn Baldwin an einem Fall arbeitete, nur wenige Pausen und viele schlaflose Nächte. Ein Teil davon gehörte zum Job, aber ein Teil war auch seine eigene Schuld. Er konnte nicht abschalten. Konnte dem Fall nicht den Rücken zuwenden. Und das war gefährlich. Er hatte gedacht, er wäre darin in den letzten Jahren besser geworden, in denen er sich in Nashville ein Zuhause und ein Leben aufgebaut hatte und nur noch für die größten Fälle als Berater hinzugezogen wurde. Doch in letzter Zeit stellte er fest, dass er sich wieder Stück für Stück immer weiter hineinziehen ließ.
Das Problem war, dass es ihm gefiel. Er hasste die Umstände, die ihm die Fälle brachten, verabscheute, was die Männer und Frauen, die er jagte, taten, war immer wieder erstaunt über die grausamen Abgründe der menschlichen Seele. Aber als Psychologiestudent war es zu seiner Berufung, zu seiner ganz eigenen Kunst geworden, herauszufinden, wieso einige Soziopathen sich entscheiden, Serienmörder zu werden.
Der Anruf, auf den er gewartet hatte, kam um halb zehn Uhr am Morgen. Er hörte sich die Neuigkeiten an, bedankte sich und legte den Hörer zurück auf die Gabel.
Der Anrufer bestätigte es. Sie hatten eine Übereinstimmung. In Florenz und London hatte derselbe Mann gemordet. Baldwin
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