Todeswald
zuckte so schnell zurück, dass er sich beim Aufrichten den Kopf anschlug.
„Verdammt, musst du einen so erschrecken!“
Er starrte mich an. Auf seiner Stirn klopfte eine deutlich hervortretende Ader.
Ich schnappte mir einen Schraubenschlüssel, den ich wie einen Knüppel durch die Luft schwenkte.
„Ich würde sagen, das gibt eine Anzeige. Dürfte ich bitte den Führerschein sehen …“
„Hör auf!“
Er klang gereizt, sein Gesicht war inzwischen rot geworden.
„Humor, Papa, Humor! Warte kurz, dann zieh ich meinen Overall an.“
Mein Garagenoverall hing an einem Haken an der Wand. Er roch scharf nach Benzin, Motorenöl und Rostschutzmitteln.
Jetzt hätte Papa eigentlich sagen müssen: „Was würde ich bloß ohne dich tun, Nisse?“
Doch stattdessen sagte er brüsk:
„Ich brauche keine Hilfe.“
„Aber ich …“
„Das hier ist kein Kinderkram.“
Wuff hatte ihren Knochen zerkaut und kam mit einem Teddy im Maul angerannt. Keiner von uns hatte Zeit, mit ihr zu spielen.
Ich drehte mich um und sah Papa gekränkt an. War das der Grund, warum er mich nicht zum Schwimmen begleitet hatte? Weil er das Auto ohne mich reparieren wollte?
„An einem Freitagabend hast du doch bestimmt was anderes vor?“, sagte er etwas sanfter.
„Meinst du damit: rauchen, saufen und Jungs anbaggern?“
Er zuckte zusammen.
„Was?“
„Ich will dir aber helfen“, brachte ich piepsig heraus.
„Hör mal, Spatz, du hast doch bestimmt Freunde, mit denen du zusammen sein kannst, ohne … äh …“
„Zu rauchen und zu saufen“, sagte ich, weil er das gar nicht gern hörte.
Aber ich hörte es auch nicht gern, dass er mich Spatz nannte.
„Was machst du überhaupt?“, fuhr ich fort. „Hast du nicht behauptet, der Motor macht Probleme?“
Mein Blick strich über die silberglänzende Lackierung, bis er vorne rechts an einer Stelle hängen blieb, die wie eine Beule aussah. Aber vielleicht war das auch bloß ein Schatten.
Ich trat einen Schritt vor, um es näher anzuschauen, doch Papa stellte sich mir in den Weg.
„Jetzt will ich meine Ruhe. Geh lieber und …“
Er machte keinen Vorschlag, sondern nur eine Geste, die eindeutig nach draußen zeigte.
Ich spürte einen eiskalten Klumpen im Magen. Ich war nicht gut genug.
Irgendwann habe ich mal ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Worte gehört, eine Bemerkung von Oma. Sogar Papa selbst hat etwas Ähnliches gesagt, als er nicht wusste, dass ich zuhörte.
„Wenn ich ein Junge wäre, würdest du mich nicht rauswerfen“, sagte ich.
„Was?“
„Du wolltest lieber einen Sohn haben.“
„Aber das ist nicht …“
„Doch, das hast du gesagt. Du wolltest einen richtigen Nisse haben.“
Ich machte auf dem Absatz kehrt und dampfte hinaus. Ich hatte Tränen in den Augen. Die sollte er nicht sehen.
Typisch!
Svea weinte.
Nisse hätte die Faust an die Wand geknallt.
KAPITEL 8
In meinem Zimmer steht ein Himmelbett mit weißen Tüllvorhängen und Volants. Das hat Papa gebaut, nachdem ich ihn ewig damit genervt hatte.
Inzwischen kommt es mir ziemlich kindisch vor mit all den Rüschen und Schleifchen, aber weil Papa es gebaut hat, will ich es trotzdem behalten.
Natürlich habe ich auch noch andere Möbel: einen Schreibtisch, einen Stuhl, ein Bücherregal, einen Kleiderschrank mit Spiegeltüren und eine Kommode mit vierzehn Schubladen.
Aber das Bett ist das Wichtigste. Dort verbringe ich meine Zeit, dort schlafe, träume und lese ich, dort höre ich Musik – oder gebe mich meinem Kummer hin.
Wie konnte Papa nur! Mich einfach wie ein kleines Kind davonzuscheuchen! Ich habe ihm schon so oft geholfen. Irgendwas Sinnvolles hätte ich garantiert tun können.
Ich dachte daran, wie er mir den Weg versperrt hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass der Schatten auf der Kühlerhaube tatsächlich wie eine Beule ausgesehen hatte, doch das schob ich sofort von mir. Bestimmt hatte ich mich getäuscht. Ich beschloss, morgen bei Tageslicht noch einmal nachzuschauen, dann brauchte ich mir darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen.
Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, setzte ich mich auf und begann in alten Fotoalben aus der Jugendzeit meiner Eltern zu blättern. Aus der Zeit, bevor es mich gab.
Papa und Mama waren beide schlank. Mamas Haare waren heller, Papas dunkler. Auf jedem Foto standen sie eng nebeneinander, manchmal mit Freunden im Hintergrund.
Dann kam ich auf die Welt und tauchte ebenfalls auf den Fotos auf, wie
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