Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
Vom Netzwerk:
hätte ich eigentlich nicht klingen dürfen. Ich war doch sauer auf ihn. Außerdem wimmelte es in meinem Kopf von Fragen.
    „Also hast du den Motor vom Volvo wieder auf Vordermann gebracht?“, fragte ich.
    „Na klar.“
    Jo zupfte mich ungeduldig am Ärmel.
    „Komm jetzt!“
    Ich ließ die Gedanken an Papas Auto hinter mir und folgte ihr.
    Draußen auf der Straße sahen wir die Zettel, die Mama erwähnt hatte. Sie hingen an Laternenpfählen und Verkehrszeichen – Fotos von Mikaela und darunter der Text: „Wer hat sie gesehen?“
    „Ich finde es unmöglich von Mikaela, so lange wegzubleiben“, sagte Jo. „Ich würde meine Mutter niemals so traurig machen.“
    Ich würde es vielleicht tun, wenn ich wütend genug wäre. Doch das sagte ich nicht.
    Vor der Disco standen schon viele Leute rum und drinnen war es knallvoll. Hinter den rauchfarbenen Fenstern sah ich, wie tanzende Schatten sich bewegten.
    Wir bezahlten unseren Eintritt und gaben unsere Jacken an der Garderobe ab. Danach konnte man sich einfach von der hämmernden Musik und den blinkenden Lichtern verschlucken lassen.
    Jo drängte sich zur Tanzfläche vor und zog mich hinter sich her. Kaum hatte sie angefangen, sich im Takt zur Musik zu wiegen, waren wir schon von Jungs umringt.
    Aber kein Linus.
    Er wollte doch kommen. Nur seinetwegen war ich hier.
    Als eine Ballade aus den Lautsprechern tönte, begann ich mich zwischen den tanzenden Paaren hindurchzuzwängen. Jetzt hatte ich doch einen entdeckt, mit dem ich tanzen wollte!
    Linus.
    Er sah total gut aus in dunklem Pulli und dunkler Hose!
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn auf die Tanzfläche locken sollte, doch wenn ich erst mal bei ihm wäre, würde sich das bestimmt lösen.
    Linus erblickte mich sofort und machte ein erstauntes Gesicht, als hätte er nicht erwartet, mich hier zu sehen.
    Oder vielleicht, weil ich von der Tanzfläche herüberkam?
    Ich wollte ihm gerade ein gut einstudiertes Lächeln schenken, als eine rechte Gerade schwungvoll mitten auf meinem Mund landete.
    „Hoppla!“, sagte der Junge höflich und tanzte weiter.
    Mein Lächeln verwandelte sich in eine Grimasse. Es tat unheimlich weh.
    „Das sieht schlimm aus“, meinte Linus. „Du blutest ja.“
    Ich drehte um und lief zur Toilette.
    Der Spiegel enthüllte die grausame Wahrheit. Wie eine Discoqueen sah ich nicht mehr aus. Eher wie ein Vampir, der sein Gebiss vor Kurzem in eine saftige Schlagader versenkt hatte. Unruhig befühlte ich meine Zähne. Hoffentlich wackelte keiner?
    Sie saßen alle fest an ihrem Platz. Aber mein Stolz wackelte gewaltig.
    Mit Toilettenpapier wischte ich das Blut ab und schloss mich dann in einer Kabine ein.
    Während ich da saß und spürte, wie der Schmerz im Takt zur Musik pochte, liefen die anderen Mädels rein und raus und quatschten mit ihren Freundinnen über die Jungs.
    Doch plötzlich spitzte ich die Ohren. Ich hörte jemanden „Mikaela“ sagen.
    „… in der Zeitung über sie geschrieben.“
    „Da wird sie sich ganz schön was drauf einbilden!“
    „Die ist doch schon eingebildet genug. Garantiert glaubt sie, sie wär was Besonderes. Ich finde, dass …“
    Was sie fand, blieb ein Rätsel. Die Toilettentür schlug hinter ihnen zu. Aber dass sie sich über „meine“ Mikaela unterhalten hatten, davon war ich überzeugt. Und auch davon, dass etwas über ihr Verschwinden in der Zeitung stand. Nachdem ich sowohl den Anfang als auch das Ende der Unterhaltung verpasst hatte, wusste ich nicht, in welcher Zeitung. Aber im Gegensatz zu den Mädchen vermutete ich, dass Mikaela das kein bisschen cool finden würde.
    Wenn ganz Schweden wusste, dass sie ausgerissen war, würde es viel schwieriger werden, wieder nach Hause zurückzukommen.
    Ich kramte mein Handy aus dem schwarzen Handtäschchen hervor, das Mama mir geliehen hatte.
    „Bitte schnell nach Hause kommen! Die Zeitungen schreiben schon, dass du abgehauen bist. Svea.“
    Ich schickte die SMS an Mikaelas Handy. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass sie es las und kapierte, wie dringend sie zurückkommen musste.
    In dem Moment hörte ich Jos Stimme.
    „Svea! Hallo!“
    Ich öffnete die Tür.
    „Hilfe! Was hast du denn gemacht!“
    „Ich?!“, knurrte ich gekränkt, dass das Blut nur so spritzte.
    Sie beugte sich vor und inspizierte meinen schmerzenden Mund.
    „Du kriegst eine dicke Lippe!“
    „Am Montag geh ich nicht in die Schule! So darf er mich nicht sehen!“, entschlüpfte es mir ungewollt.
    „Wer?“
    Jo blinzelte mich neugierig

Weitere Kostenlose Bücher