Todeswald
Bei Mikaela.
„Wir schauen mal hinterm Haus nach“, flüsterte ich.
Wir versuchten durch das Laub zu schleichen, wateten aber ungefähr so lautlos wie eine Herde Nashörner durch den raschelnden Laubteppich. Schritt für Schritt, mit angespannten Nerven. Wuff und ich voraus, Linus in einigem Abstand hinter mir her. Glaubte ich wenigstens. Denn als ich stehen blieb, lief er direkt in mich hinein.
„Au!“
Und gleich darauf Wuffs Gebell, wie ein Echo.
Im selben Augenblick entdeckte ich etwas hinter dem Haus. Ein an die Wand gelehntes Fahrrad! Die Farbe ließ sich in der Dunkelheit nicht erkennen. Ich wollte schon meine Taschenlampe anknipsen, als eine wütende Stimme loskeifte:
„Diebe, Mörder! Jetzt ist es aber genug …“
Wir blieben nicht, um uns anzuhören, was sie sonst noch auf dem Herzen hatte.
Erst als das Licht von Hedvigs Haus nur noch als Pünktchen zwischen den Baumstämmen hinter uns schimmerte, wagten wir stehen zu bleiben, um Luft zu holen.
Linus keuchte angestrengt, ich dagegen hätte noch locker weiterrennen können.
„Hast du es geschafft, das Fahrrad anzuschauen?“, stieß Linus schnaufend aus.
„Nein. Wir müssen noch mal hin.“
Ein paar unschlüssige Falten tauchten zwischen seinen Augenbrauen auf, aber immerhin sagte er nicht Nein. Daher war ich trotz allem mit dem Abend zufrieden. Linus und ich hatten gemeinsame Interessen gefunden: die Jagd nach dem Übeltäter, der Glöckchen überfahren hatte, und die Suche nach meinem Fahrrad.
Kein schlechter Start für eine Freundschaft!
„Kommst du morgen zur Disco?“, rief er mir nach, als ich bereits zu unserer Haustür unterwegs war.
„Zu welcher Disco?“, fragte ich unüberlegt.
Oh nein! So was von superdämlich! Das nicht zu wissen, ist doch total uncool!
„Ach so, du meinst die Disco!“
Er sah mich an. Vermutlich wartete er auf eine Antwort.
„Vielleicht“, sagte ich.
Er nickte und hob lässig die Hand.
Ich starrte seinen Rücken an, während Wuff winselnd mit dem Schwanz wedelte und die Schnauze an die Haustür presste. Wie solltesie auch meine Verwirrung verstehen? Als Hund macht man etwas. Oder auch nicht. Von quälenden Haarspaltereien bleibt ein Hund verschont.
Warum hatte Linus gefragt, ob ich zur Disco gehe?
1. Weil er wollte, dass ich hinkomme?
2. Weil er einfach neugierig war?
Was soll ich tun?
Die coole Clique ging regelmäßig zur Disco ins Jugendhaus, wenn sie nicht gerade eine eigene Party feierte. Womöglich wären die morgen alle da! Die würden mich natürlich vor Linus verspotten – weil ich nicht richtig tanzen konnte, weil ich die falschen Klamotten trug und weil ich mich falsch schminkte.
Weil einfach alles an mir falsch war.
Ich gehe nicht .
Aber dann würde ich Linus nicht treffen. Auf der Disco hatte es schon bei vielen gefunkt. Vielleicht würde Linus dann auf Ebba oder Hannamaria abfahren. Es wäre einfach unerträglich, sie Händchen haltend auf dem Schulhof oder schmusend hinter der Turnhalle sehen zu müssen.
Ich muss hingehen!
Aber was sollte ich dann anziehen?
Warum war das Leben nur so kompliziert …
Ich möchte ein Hund sein!
Plötzlich fiel mir ein, dass ich Mikaela eine SMS schicken könnte. Ich brauchte sie nicht auszufragen, wo sie steckte, wollte bloß einen Rat von ihr.
„Was für Klamotten sind für die Disco angesagt? Bitte um schnelle Antwort! Svea.“
Ich schickte die Nachricht ab.
KAPITEL 7
Vom Gartenweg aus sah ich Licht durch die Ritzen am großen Garagentor heraussickern. Als ich die Garage verlassen hatte, hatte ich das Licht gelöscht. War Papa also jetzt noch am Arbeiten?
Als Antwort auf meine Frage drang ein Geräusch aus der Garage. Eines dieser schneidenden Geräusche, das einem scharf durch Ohren und Zähne fährt, ähnlich wie wenn man mit dem Fingernagel über eine Tafel scharrt.
Ich lief schnell ins Haus, schlüpfte aus der Jacke, trat mir gleichzeitig die Gummistiefel von den Füßen und rieb Wuffs Pfoten hastig trocken.
Ich bin schon seit Jahren Papas Assistentin. Er behauptet zwar, ich könne eine Mutter nicht von einer Schraube unterscheiden, aber auf jeden Fall haben wir viel Spaß miteinander. Das ist unser Ding: In der Autowerkstatt von Janne und Nisse zusammen zu werkeln.
Ich gab Wuff einen Kauknochen, damit sie für eine Weile beschäftigt war, und stürzte in die Garage.
Papa stand in unnatürlicher Haltung über die Kühlerhaube gebeugt.
„Na, was haben wir denn da?“, sagte ich mit strenger Polizistenstimme.
Papa
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