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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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vor.
    Hier stand ich, voller Leben. Ihre Tochter war tot.
    Ihr Blick durchschnitt mich wie ein Messer. Sie atmete schwer, zuerst glaubte ich, sie würde in Tränen ausbrechen. Dann sah ich, dass das, was sie zu unterdrücken versuchte, nicht Trauer war.
    Sie war wütend.
    „Findest du nicht, dass ich es schon schwer genug habe!“, fauchte sie. „Jetzt hat man Samuel zum Verhör abgeholt, und das ist deine Schuld. Was fällt dir ein, bei anderen Leuten rumzuschleichen und sie zu verdächtigen. Unverschämtheit!“
    Sie ging weiter, an mir vorbei und mit entschieden aufrechterem Rücken.
    Mein ohnehin angeknackstes Selbstvertrauen sank bis unter die Schuhsohlen.
    Alle hassen mich!
    Was ist nur los mit mir?
    Ich rannte ins Haus. Mein Herz klopfte und ich spürte einen großen brennenden Kloß im Hals, den ich nicht herunterbrachte, wie oft ich auch schluckte.
    Immer wieder musste ich an ihre Worte denken.
    Man hat Samuel geholt … deine Schuld …
    Woher wusste sie, dass ich es war, die geplaudert hatte?
    Dann fiel mir ein, dass Samuel Wester mich damals ja vor ihrem Haus gesehen hatte.
    Wie in Trance streifte ich die Turnschuhe ab und hängte meine Jacke auf.
    Mamas Stimme drang in mein Vakuum herein.
    „Ich trinke gerade Kaffee. Willst du auch etwas?“
    Für einen Augenblick vergaß ich alles. Mama? Nachmittags um diese Zeit war sie sonst immer in ihrem Atelier eingesperrt, blind für die Umwelt.
    Ich ging langsam zur Küche und stellte mich in die Türöffnung.
    Wuff peitschte mit dem Schwanz und schielte zu mir herüber, ohne ihren Platz neben Mama zu verlassen. Ihre Gedanken waren von einer angebissenen Zimtschnecke erfüllt, die auf dem Tisch lag. Sie schien sie dazu hypnotisieren zu wollen, ihr direkt in den Mund zu fliegen.
    Mama hob den Kopf und lächelte. Dann wurde sie sofort ernst.
    „Was ist denn, Schatz?“
    Ich schluckte, brachte kein Wort heraus.
    „Komm her“, sagte sie ruhig.
    Sie stand auf und streckte mir die Arme entgegen.
    Ich stolperte in ihre Arme. Sie hielt mich fest und so standen wir still da, bis Wuff sich plötzlich vor dem Tisch aufrichtete. Mit einem Schnapp war die Schnecke, die offensichtlich niemand haben wollte, verschwunden und verschlungen.
    „Aber Wuff!“, rief Mama aus.
    Dann schien sie Wuff wieder zu vergessen und sah mich forschend an.
    „Wollen wir uns setzen?“
    Ich setzte mich. Sie wärmte mehrere Zimtschnecken in der Mikrowelle auf, schenkte mir ein Glas Saft ein und sich noch eine Tasse Kaffee.
    Sie trank ihren Kaffee und ich trank Saft und dazu aßen wir warme Zimtschnecken. Erst nachdem ich zwei Schnecken in mich reingestopft hatte, stellte sie die Frage, die ihr bestimmt auf der Zunge gelegen hatte, seit ich nach Hause gekommen war.
    „Warum bist du so traurig?“
    Ich seufzte.
    „Ich hab Mikaelas Mutter getroffen. Das war … Ich hätte nicht mit ihr reden sollen!“
    „Es ist hundert Mal schlimmer, nichts zu sagen, auch wenn man nicht die richtigen Worte findet, die gibt es nämlich nicht. Man kann nicht so tun, als wäre nichts passiert. Es ist passiert und ihr Leben wird nie mehr so werden wie vorher. Bestimmt hat sie trotzdem die Geste an sich geschätzt, dass du es gewagt hast, mit ihr zu sprechen.“
    „Nein, das war’s nicht. Sie war wütend auf mich, weil ich der Polizei erzählt hab, was sie über Samuel gesagt hatte. Und dabei hab gar nicht ich das verraten. Das waren meine beschissenen sogenannten Freundinnen!“
    „So was Dummes!“
    „Ja, total!“
    „Ich meine, dass du es der Polizei nicht viel früher gesagt hast.“
    „Ich? Und was ist mit Mikaelas Mutter?“
    „Sie hat eine Nachricht erhalten, die keine Mutter je erhalten sollte. Sie ist zu erschüttert, um sich vernünftig zu verhalten.“
    „Aber hallo! Ich bin dreizehn. Soll ich klüger sein als sie?“
    „Du bist keine normale Dreizehnjährige. Du weißt, mit welchen Problemen die Polizei sich herumschlägt. Die Leute halten aus den verschiedensten Gründen den Mund und außerdem läuft ein gefährlicher Verbrecher noch frei herum. Jetzt erhält Samuel die Chance, sich zu rechtfertigen. Und die Polizei kann den richtigen Mörder verfolgen.“
    Sie setzte sich zu mir, strich mir leicht über die Wange und schob ein paar Haarsträhnen beiseite, die mir über die Augen gefallen waren.
    Ich fühlte mich ruhig und geborgen.
    Als ich klein war, fand ich es wunderbar, in der Küche auf dem Boden zu sitzen, wenn Mama kochte. Manchmal versuchte ich ihr zu helfen, aber meistens saß

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