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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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aktuelle Kursliste ausgedruckt, doch immer wieder musste er seine Arbeit unterbrechen, um nach weiteren Wertpapierkennziffern zu suchen. Er verstand nicht sonderlich viel von Aktien, aber ein gewisses Muster ließ sich seiner Ansicht nach angesichts der unterschiedlichen Aufträge nicht erkennen.
    Als er die letzte Aktenmappe endlich zuklappte, nahm seine Auflistung ganze zwei DIN-A4-Seiten in Anspruch. Dabei hatte er sich wirklich nur auf die Kunden mit höheren Verlustsummen konzentriert. Natürlich konnte auch einer der kleineren Geldanleger den Banker umgebracht haben, aber irgendwo musste er schließlich anfangen und die Wahrscheinlichkeit, den Täter unter den Geschädigten zu finden, die den höchsten finanziellen Schaden davongetragen hatten, hielt er für sehr wahrscheinlich. Gleich am Montag würde er sich daranmachen, die Kunden zu befragen.
    Thamsen streckte sich. Seine Glieder schmerzten. Der Küchenstuhl war nicht gerade bequem und für stundenlange Recherchearbeiten ungeeignet. Hinzu kam ein Schlafdefizit von mindestens 20 Stunden. Auf Pellworm hatte er sich die halbe Nacht unruhig in dem fremden Bett hin und her gewälzt und auch zu Hause nicht sonderlich gut geschlafen. Die viele Arbeit forderte ihren Tribut. Er kam sich mindestens zehn Jahre älter vor. Nicht einmal zum Laufen konnte er sich aufraffen. Dabei bot der regelmäßige Sport ihm ansonsten den nötigen Ausgleich, aber die Müdigkeit siegte in den letzten Tagen immer wieder über die vernünftige Einsicht, dass sportliche Betätigung seinem Körper guttun würde.
    Im Kinderzimmer malte Anne immer noch ganz versunken an der Geburtstagsüberraschung. Ihre kreativen Anstrengungen wurden durch intensivstes Zungenspiel unterstützt. Thamsen musste lächeln, als er den kleinen rosa Zipfel vom einen zum anderen Mundwinkel huschen sah.
    »Du, Süße«, er trat neben ihren Schreibtisch und betrachtete das Kunstwerk. Ihr Talent, aus Pinselstrichen ein prachtvolles Bild zusammenzufügen, musste sie von Iris geerbt haben. Ihm lag das Malen weniger und ein Gefühl für Farben war bei ihm so gut wie gar nicht vorhanden. Früher hatte sein mangelndes Geschick oft für spöttisches Gelächter in seinem Freundes- und Bekanntenkreis gesorgt. Er besaß einfach kein Auge dafür, ob eine orangefarbene Jeans zu einem roten T-Shirt passte oder eher nicht. Regelmäßig war es ihm gelungen, die Gesetze der farblichen Harmonie zu brechen.
    Doch auch er lernte dazu. Seit einigen Jahren kaufte er seine Kleidung nur noch in gedeckten Naturfarben. Braun, beige, weiß, dunkelblau.
    »Damit können Sie eigentlich nichts verkehrt machen«, hatte eine freundliche Verkäuferin ihm empfohlen, als er sich nach der Trennung von Iris neu einkleidete. Er hatte damals das Gefühl gehabt, er müsse sich äußerlich verändern. Warum, wusste er selbst nicht ganz genau.
    »Ich müsste noch mal kurz weg. Kannst du solange allein hier bleiben?«
    Im Grunde genommen, war Anne nicht mehr so klein und konnte durchaus für ein oder zwei Stunden unbeaufsichtigt bleiben. Außerdem war es mitten am Tag und über Handy war er jederzeit für sie erreichbar. Trotzdem rührte sich immer sein schlechtes Gewissen, wenn er sie sich selbst überließ. Er verbrachte sowieso schon viel zu wenig Zeit mit seinen Kindern.
    Anne war so vertieft in ihre künstlerische Arbeit – er war sich unsicher, ob sie seine Frage überhaupt verstanden hatte –, als sie antwortete: »Nein, nein, alles klar, Papi.«
    Das Büro der privaten Vermittlung, für die Arne Lorenzen nebenberuflich tätig war, lag in Uhlebüll, was übersetzt ›alte Siedlung‹ bedeutete und neben Niebüll, Deezbüll, Langstoft und Gath als weiterer Ortsteil der Stadt zählte.
    Soweit Thamsen aus dem Sachkundeunterricht wusste, waren die höher gelegenen Flächen etwa im 8./9. Jahrhundert von Friesen bevölkert worden. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts erfolgte eine stärkere Besiedelung dieser Gebiete und in dem von Bischof Nikolaus IV. Wulf am 1. November 1436 angeordneten Register – dem ›Liber censualis episcopi Slesvicensis‹ –, welches sich zum Teil auf schon vorhandene Aufzeichnungen bezog, wurde Nigebul, etwas später Nubul, erstmals urkundlich erwähnt, was im Gegensatz zu Uhlebüll für die ›neue Siedlung‹ stand.
    An weitere Geschichtsdetails konnte Thamsen sich nicht mehr erinnern und begründete das oft mit den fehlenden urkundlichen Quellen, die aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen und Zerstörungen sowie durch

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