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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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und Sönkes eigenartiges Verhalten hatten sie stutzig gemacht. Er versuchte, etwas vor ihr zu verbergen und egal, was es war, sie wollte es endlich wissen.
    Der Hof war unbeleuchtet und auch die Fenster zum Büro waren dunkel. Sie überlegte, wo ihr Mann steckte. In der Firma, wie er gesagt hatte, befand er sich ganz offensichtlich nicht.
    Als sie sich der großen Halle näherte, sprangen plötzlich, durch einen Bewegungsmelder ausgelöst, zwei große Scheinwerfer an. Die Mitarbeiter hatten auf diese Einrichtung bestanden. Schließlich konnten sie ihre Lastwagen nicht im Dunkeln be- und entladen, wenn eilige Aufträge anstanden. Die Installation hatte eine Menge Geld gekostet und sie fragte sich, ob die Investition sich jetzt überhaupt rechnete. In den letzten Monaten waren immer weniger Aufträge reingekommen, das hatte sie sehr wohl bemerkt. Wie schlecht es jedoch tatsächlich um die Firma stand, ahnte sie erst seit ein paar Tagen. Das Gespräch mit dem entlassenen Lars Schwensen hatte ihr die Augen geöffnet.
    Sie kannte die Mitarbeiter von den Betriebsfeiern, die sie regelmäßig veranstalteten. Zu Weihnachten und im Sommer in Form eines Grillfestes, zu der sie auch die Familien einluden. Was sollte nun aus ihnen werden? Die meisten hatten Kinder, manche ein Haus. Wie sollten sie ohne Job die Rechnungen bezahlen und die Familie ernähren?
    Und sie selbst? Inken Matthiesen wurde übel, wenn sie an die Schulden dachte, die ihr Mann für den Aufbau der Firma gemacht hatte. Wenn es wirklich so schlecht um die Spedition stand, mussten sie vielleicht ihr eigenes Haus verkaufen und in eine billige Wohnung ziehen, eventuell sogar das Dorf verlassen.
    Ihr schossen die Tränen in die Augen, als sie die Tür erreichte und mit den Fingern über das rechteckige Messingschild strich, auf dem der Firmenname eingeprägt war. Das Metall fühlte sich kalt an.
    Schnell holte sie aus der Jackentasche ihre Schlüssel, öffnete die Tür und tastete unsicher nach dem Lichtschalter. Der grelle Strahl erleuchtete die bescheidene Eingangshalle. An den Wänden des circa zehn Quadratmeter großen Raumes stapelten sich Kisten und Kartons, die nur einen schmalen Durchgang zu den Büros frei ließen. Die Bodenfliesen waren abgetreten und wiesen Risse auf. Die ehemals weiß gestrichene Decke präsentierte sich in einem unansehnlichen Beigeton. Inken Matthiesen trat ein und schloss leise die Tür hinter sich.
    Im Gebäude war es mucksmäuschenstill. Sie nahm einen unangenehm fauligen Geruch wahr und dachte darüber nach, wann man hier wohl zuletzt gelüftet hatte. Zudem war es empfindlich kalt, was den zusätzlichen Schluss nahelegte, dass lange nicht anständig geheizt worden war.
    Wahrscheinlich konnte er die Rechnung nicht bezahlen, schoss es ihr durch den Kopf und sie fürchtete sich vor dem, was sie noch alles nicht wusste.
    Inken ging den langen Flur entlang bis zum Büro ihres Mannes. Die Tür knarrte, als sie sie aufschob.
    Alles wirkte alt und heruntergekommen. Die Glanzzeiten des Unternehmens waren definitiv vorbei. Dabei war die Firma immer Sönkes ganzer Stolz gewesen. Als er das Unternehmen von seinem Vater übernahm, hatte er sich richtig ins Zeug gelegt, um es seinem alten Herrn zu beweisen. Tag und Nacht hatte er geschuftet, jeden noch so miserablen Auftrag angenommen. Und seine Hartnäckigkeit hatte sich ausgezahlt. Die Spedition hatte sich vor Aufträgen kaum retten können, die Umsätze konnten sich sehen lassen.
    Doch als sie die schäbige Einrichtung – angestoßene Möbel, vergilbte Wände, vertrocknete Pflanzen – sah, wurde ihr klar, dass diese Zeiten längst vorbei waren. Seit einer ganzen Weile musste es steil bergab gegangen sein und sie hatte von alldem nichts bemerkt.
    Vielleicht auch ein Grund, warum Sönke sie so wenig beachtete. Sein Lebenswerk, für das er hart gearbeitet hatte, das ihm über alle Maßen wichtig war, schien sie einen Dreck zu kümmern. Und im Großen und Ganzen hatte er recht. Ihr war die Firma in den letzten Monaten, wenn nicht sogar Jahren, mehr als egal gewesen. Hauptsache, das Geld stimmte. Sie schämte sich, als ihr klar wurde, wie wenig Aufmerksamkeit sie Sönke und seinen Belangen in der Vergangenheit geschenkt hatte. Und sie warf ihm vor, er interessiere sich nicht für sie?
    Wo er nur steckte? Wenn sie ihm nur sagen könnte, wie leid es ihr tat. Sie seufzte leicht, als sie mit der Hand über die Schreibtischunterlage fuhr, unter deren durchsichtiger Schutzhülle eine Deutschlandkarte

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