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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Keller.
    »Auch Geld verloren?«, versuchte er, ein Gespräch in Gang zu bringen. Mit Erfolg. Der Kopf des Zeitungslesers schnellte geradezu in die Höhe.
    »Auch Geld? Auch Geld? Ich hab bestimmt das meiste verloren.« Sein Gesicht lief puterrot an, während er wütend schnaubte: »Und das alles wegen diesem gierigen Bengel!«
    »Pass ma auf, was du sagst.« Der Inhaber des Ladens steckte seinen Kopf zwischen zwei dunkelbraunen Vorhängen hindurch, die den Wartebereich von dem Herrensalon abtrennten. »Sonst glaubt man am Ende noch, du hast Arne umgebracht!«
    »Hätt ich am liebsten auch«, raunzte der Mann neben Haie zurück. Er ließ sich nicht den Mund verbieten und war augenscheinlich nicht gerade ein Freund des Toten gewesen. Ganz im Gegenteil, er schien zum Kreis der Geschädigten zu gehören. Trotzdem fand Haie seine Äußerung ein wenig zu krass.
    »Na, na, na«, schaltete er sich in den Schlagabtausch ein, »das is’ ja wohl nicht dein Ernst. So etwas kann man auch vernünftig klären.«
    »Hast du eine Ahnung. Natürlich hab ich versucht, mit ihm zu reden. Gleich als die ersten Kurse in den Keller sind.«
    »Ja, und?« Haie war neugierig, wie der Banker reagiert hatte.
    »Nichts und«, sein Sitznachbar zuckte mit den Schultern. Wenn man in Aktien investiere, bestünde halt immer ein Risiko, Geld zu verlieren, habe der Berater ihm gesagt. Das sei eben Pech. Er versuchte offenbar, seine Wut unter Kontrolle zu halten. Vielleicht hatte er Angst, man halte ihn letzten Endes doch für Arne Lorenzens Mörder. Als Haie ihn von der Seite betrachtete, sah er dem älteren Mann deutlich an, wie schwer es ihm fiel, sich zu beherrschen. Sein Adamsapfel hüpfte widernatürlich häufig über dem Kragen des blauen Strickpullovers auf und ab und sein linkes Augenlid flatterte nervös.
    »Ja, aber er hat dir die Papiere doch aufgeschwatzt, oder?«, schaltete sich plötzlich die Frau ein, die bisher das Gespräch stumm neben ihnen verfolgt hatte. Auf dem Stuhl zu ihrer Linken saß ein etwa zwölfjähriger Junge, der in eine Fußballzeitschrift vertieft war.
    »Schon«, räumte Chrischen ein und räusperte sich. Es war ihm anzumerken, wie unangenehm er seinen hitzigen Ausbruch empfand. Der Frau hingegen schien der Ärger, dem er anfänglich Luft gemacht hatte, verständlich. Ihr Mann habe dem Banker auch vertraut, erzählte sie. Beinahe ihre gesamten Ersparnisse seien dabei draufgegangen.
    »Dabei hat er uns immer wieder versichert, es könne gar nichts schiefgehen.«
    Haie wurde plötzlich klar, wie viele Kunden dem Berater auf den Leim gegangen sein mussten. Die Liste der möglichen Verdächtigen wurde immer länger. Und als auch noch der Friseur nickend bestätigte, ebenfalls Geld bei dem Toten angelegt zu haben, fragte er sich, wie die Polizei wohl all diese potenziellen Täter überprüfen wollte. Jeder der Geschädigten hatte seiner Meinung nach wahrscheinlich ein gutes Motiv, aber wem traute man einen Mord zu? Ob Thamsen überhaupt wusste, dass das halbe Dorf von dem toten Berater übers Ohr gehauen worden war?

     
    *

     
    Thamsen arbeitete an diesem Morgen daheim. Als er die Kinder zu sich nahm, hatte er eine inoffizielle Abmachung mit seinem Vorgesetzten getroffen. Lagebesprechungen und Zeugenvernehmungen fanden in der Regel sowieso nicht am Wochenende statt und sein Diensttelefon leitete er auf seine Privatnummer um. Entsprechende Unterlagen oder Berichte konnte er auch zu Hause bearbeiten.
    Er goss sich einen Kaffee ein und setzte sich an den Küchentisch. Timo war nach dem Frühstück zu einem Freund gefahren und Anne malte in ihrem Zimmer ein Bild für ihre Oma. Am nächsten Tag war der Geburtstag seiner Mutter und mittags lud sie zu einer kleinen Feier ein. Neben ihnen würden noch seine Tante Margot und ein paar weitere Gäste anwesend sein. Eigentlich hasste er derlei Zusammenkünfte, aber anlässlich dieses Ehrentages konnte er schlecht absagen. Außerdem freute Anne sich auf diese Familienzusammenkunft und tuschte fleißig Blumen und verschiedene Tiere.
    Er schlug einen weiteren Ordner aus Arne Lorenzens Wohnung auf und blätterte nachdenklich in den Formularen. Der Anlageberater musste eine Menge Geld mit seiner nebenberuflichen Tätigkeit verdient haben, denn die Beträge auf den Wertpapierabrechnungen waren zum Teil sehr hoch. Er notierte sich die Namen der Geschädigten auf einem separaten Papier in der Reihenfolge der höchsten Verluste. Um diese zu verifizieren, hatte er sich aus dem Internet eine

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