Todeswatt
erstarrt wegen ihrer schrillen Stimme, erhoben sich aber und schlichen beinahe lautlos aus der Küche. Die Lage war ernst, sehr ernst. Das spürten sie.
Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, atmete Inken tief durch. Sie blickte Sönke an und wartete auf seine Erklärung. Der widmete sich allerdings stumm seiner Mahlzeit. Mit gerunzelten Brauen und scheinbar hoch konzentriert strich er sich Butter auf das Brot.
Inken, die sich kaum noch im Griff hatte, lief vor Wut rot an. »Willst du mir nun bitte mal erklären, was eigentlich los ist?«, schrie sie.
Sönke hielt inne, erwiderte aber nichts.
Das brachte sie zur Weißglut. »Tagelang treibst du dich rum und meldest dich nicht. Wo bist du gewesen?«, schnaubte sie. Die Frage, ob eine andere Frau im Spiel war, stellte sich ihr gar nicht mehr. So wie er aussah, würde sich keine für ihn interessieren. Sie beschäftigte vielmehr, ob Sönke etwas mit dem Tod des Bankers zu tun hatte. Und auch wenn ihr vor Angst das Herz bis zum Hals schlug, sie musste endlich Klarheit haben. War ihr Mann ein Mörder?
Doch Sönke reagierte überhaupt nicht. Er legte das Messer langsam zur Seite und stand einfach auf. »Ich muss duschen«, sagte er lediglich und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Ließ sie mit ihrer Wut und ihren Ängsten einfach allein.
Unvermittelt schossen ihr Tränen in die Augen. Ob aus Furcht oder Zorn, wusste sie nicht. Sie konnte zwischen diesen Gefühlen nicht mehr unterscheiden. »Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen«, flüsterte sie. Sämtliche Kräfte schienen aus ihrem Körper gewichen zu sein. Sie stützte sich auf den Küchentisch und starrte auf das unberührte Butterbrot ihres Mannes.
*
»Herr Kommissar!« Haie und Tom stießen mit Thamsen im Flur der Polizeidienststelle beinahe zusammen, als sie vom Bahnhof zurückkehrten. »Zu Ihnen wollten wir.«
Dirk Thamsen drehte sich um. Eigentlich sah er die beiden immer gern, aber ausgerechnet heute ging ihm der Besuch der Freunde reichlich gegen den Strich.
Das Gespräch mit seiner Mutter war wenig erfolgreich gewesen. Sie war seiner Frage wie gewöhnlich ausgewichen. »Lass gut sein«, hatte sie immer wieder gesagt und versucht, das Thema zu wechseln. Doch Dirk hatte es diesmal nicht gut sein lassen wollen. Das Verhalten seines Vaters musste einen Grund haben und er wollte ihn endlich erfahren. Mehrmals hatte er nachgehakt, aber sie war nicht darauf eingegangen.
»Er kann es halt nicht so zeigen, aber er liebt dich.« Und seine Enkel angeblich auch. Unter der schroffen Schale stecke ein weicher Kern. Sie müsse das schließlich wissen.
»Ich bin leider auf ’m Sprung.« Das ist zumindest nicht gelogen, dachte er, denn der Besuch bei Arne Lorenzens Kollege stand noch aus. Der wohnte in Friedrichstadt und wenn er rechtzeitig am Abend wieder daheim sein wollte, musste er sich bald auf den Weg machen.
»Geht ganz schnell«, versicherte Haie und folgte dem Kommissar wie selbstverständlich in dessen Büro.
Es war klar, dass die beiden sich nicht abwimmeln lassen würden. Er bot ihnen einen Platz auf den Holzstühlen vor seinem Schreibtisch an, ehe er sich selbst setzte. Schnell schob er die Unterlagen, die er nach der Besprechung achtlos auf seinen Tisch geworfen hatte, zusammen, als er bemerkte, wie Haie neugierig seinen Hals danach reckte.
»Also, Herr Ketelsen. Worum geht es denn?«
Haie räusperte sich und versicherte sich der Unterstützung Toms. Der nickte kaum merklich. »Ja, also, es geht um den toten Banker.«
Hätte Thamsen sich ja beinahe denken können. Die Freunde hatten bereits in der Vergangenheit mehrfach private Ermittlungen angestellt, aber bisher waren sie selbst mehr oder weniger von den Fällen betroffen gewesen. Jedenfalls kannten sie die Opfer. Welchen Zusammenhang es diesmal zwischen den beiden und dem Toten gab, interessierte ihn außerordentlich.
»In welchem Verhältnis standen Sie zu Arne Lorenzen?«, wollte er deshalb wissen, um gleich auf den Punkt zu kommen. Für ausschweifende Erklärungen hatte er momentan keinen Kopf.
Mit dieser Frage hatte Haie nicht gerechnet. Ratlosigkeit machte sich auf seinem Gesicht breit.
»Ich war Kunde von Herrn Lorenzen«, kam Tom dem Freund zur Hilfe.
»Ja, genauso, wie eine Menge anderer Leute aus dem Dorf, die der feine Bankangestellte übers Ohr gehauen hat«, ergänzte Haie und berichtete anschließend, ohne Luft zu holen, was man sich in dem kleinen Friseursalon erzählte.
»Von den,
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