Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
hatte. Novak konnte kaum laufen.
Bruder und Schwester kamen unter Amtsvormundschaft und
in eine Pflegefamilie. Ein methodistischer Pfarrer und seine Frau nahmen die beiden zu sich, aber bei Novak waren die Würfel offenbar schon gefallen. Er war verhaltensauffällig, wurde von der Schule verwiesen und kam mit sieben in Therapie. Als er zehn war, tötete er die Katze der Familie, indem er sie gegen die Wand schleuderte, weil sie ihn gekratzt hatte. Vier Jahre später prügelte er die Frau des Pfarrers krankenhausreif.
Die Familie gab auf, und Novak und Rita kamen zurück ins Heim. Vier Monate später rannten sie weg und landeten auf den Straßen von Belfast. Das war 1983, kurz bevor ich dorthin versetzt wurde.
In jenem Dezember zündete die IRA eine Autobombe vor Harrods und tötete sechs Menschen – darunter drei Polizisten. Ich kannte einen von ihnen. Inspector Stephen Dodd. Er starb am Heiligen Abend. Wir versuchten, die Verantwortlichen zu finden, und die Spur führte nach Belfast.«
Ruiz registriert einen vorbeifahrenden Polizeiwagen. Licht spiegelt sich in der Windschutzscheibe wie der Blitz einer Kamera, und zwei Männer in Uniform mustern uns, als wären wir betagte Selbstmordattentäter.
»Was ist mit Novak und Rita geschehen?«, frage ich. »Sie haben auf der Straße gelebt, in besetzten Häusern, verlassenen Fabriken und Güterwaggons. Dann hat sich Novak einen Venusfallen-Trick ausgedacht. Rita hat einen kurzen Lederrock und ein knappes Top angezogen, ist die Adelaide Street auf und ab spaziert und hat die Aufmerksamkeit der Freier auf sich gezogen. Sie hat sie in eine dunkle Gasse gelockt, ihnen die Hose aufgeknöpft und sich auf die Knie gehockt. In dem Moment kam Novak aus seinem Versteck, tippte Rita auf die Schulter, hielt ein Messer an die Weichteile des Freiers und verlangte Geld.
Er stahl Brieftaschen, Kreditkarten, manchmal auch Kleidung. Später verfeinerte er die Masche, indem er Polaroids machte und die Freier erpresste, ihnen drohte, das Foto zu
ihnen nach Hause zu schicken, wenn sie nicht mehr Bargeld ausspuckten. Mit nichts lässt sich besser Kohle machen als mit dem Foto eines minderjährigen Mädchens, das einem verheirateten Mann einen bläst.
Bald hatten sie einen Haufen Geld zusammen, mieteten sich eine Wohnung, richteten sich ein und mieden jeden Kontakt zum Sozialamt. Ein perfektes Arrangement, so schien es.«
»Was ist passiert?«
»Eines Abends lockte Rita den falschen Freier an. Einen Motorradrocker namens Nigel Geddes, der sie von der Straße pflückte, ehe Novak eingreifen konnte. Geddes brachte Rita zu einer Party, wo sie von mindestens einem Dutzend seiner Kumpels auf jede erdenkliche Weise vergewaltigt wurde. Als sie entdeckten, dass sie noch Jungfrau war, lachten sie. Wer konnte damit rechnen?
Sie setzten Rita wieder auf der Straße ab, mit inneren Blutungen und Verbrennungen von Zigaretten, die nässende Wunden hinterließen. Novak rastete völlig aus. Die einzige Konstante in dem Scheißhaufen, den er sein Leben nannte, war seine kleine Schwester gewesen, und er hatte geschworen, dass er sie beschützen würde.
Während Rita noch im Krankenhaus lag, wo Sozialarbeiter sich um sie kümmerten, kaufte Novak sich für achtzig Pfund von einem IRA-Waffenhändler namens Jimmy Ferris, genannt das Frettchen, eine .25-Kaliber Automatikpistole.
Ich weiß, was du denkst. Du denkst, ein Junge wie Novak, aktenkundig gewalttätig und jähzornig, wäre in bester Dirty-Harry-Manier irgendwo reinspaziert und hätte alles über den Haufen geschossen, aber so lief es nicht. Novak marschierte nicht mit geladener Waffe in das Clubheim der Rockergang. Er beobachtete sie und wartete. Er folgte den Mitgliedern, merkte sich ihre Gesichter, ihre alltäglichen Abläufe, ihre Adressen …
Das erste Opfer machte es ihm wirklich leicht. Er verließ eine Bar in Short Strand mit einem Mädchen im Schlepptau.
Das Paar ging in ein schlecht beleuchtetes Parkhaus. Als Novak um die Ecke kam, war das Mädchen schon auf den Knien.
Es war eine vertraute Szene. Novak tippte ihr auf die Schulter, und sie zog sich verängstigt zurück. Der Motorradfahrer öffnete die Augen, als ihm eine Pistole in den Mund geschoben wurde.
Novak sagte dem Mädchen, es solle verschwinden. Er wartete, bis sie weg war, bevor er sich wieder dem Motorradfahrer zuwandte, dessen schrumpfender Penis noch immer aus seiner Hose hing.
Das Mädchen hörte, wie er um sein Leben bettelte und sich entschuldigte. Novak zählte von
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