Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
seinen verstohlenen Blicken und seinem Wissen darüber her, welche Unterwäsche sie trägt und wo sie wohnt. Sie reißt die Augen auf, als die Erkenntnis ihre Amygdala erreicht, ihr Angstzentrum.
Der Volvo springt beim ersten Versuch an, was ihn verlässlicher macht als meinen eigenen Körper. Als sich der Schlagbaum hebt, werfe ich einen letzten Blick auf Dr. Naparstek, die noch immer auf dem Parkplatz steht und mir nachstarrt.
Das Gelände der Shepparton Park School ist in frühlingshafte Dämmerung getaucht, Schatten brechen sich zwischen den Bäumen. Die meisten Gebäude sind dunkel, bis auf Mitford Hall, wo die Fenster hell erleuchtet und laute junge Stimmen zu hören sind.
Ich bin zu früh, um Charlie abzuholen. Die Probe ist noch nicht zu Ende. Ich schlüpfe durch eine Seitentür in den dunklen Zuschauerraum und blicke über die Reihe der leeren Sitze auf die hell erleuchtete Bühne.
Musical- und Tanzaufführungen in der Schule sind für alle Eltern Rituale, die das Aufwachsen ihrer Kinder markieren. Charlies erster Auftritt liegt acht Jahre zurück, ein Krippenspiel, bei dem sie eine sehr laute Kuh spielte. Jetzt ist sie vierzehn und trägt einen Bob und ein Flapper-Kleid im Stil der 20er Jahre, nachdem sie in Miss Dorothy Brown verwandelt wurde, die beste Freundin von Modern Millie .
Ich selbst war nie begabt für die Bretter, die die Welt bedeuten. Meinen einzigen Bühnenauftritt hatte ich mit fünf in der Grundschulaufführung von The Sound of Music , in der
ich als jüngstes der Trapp-Kinder besetzt war (normalerweise ein Mädchen, ich weiß, aber ich bekam die Rolle nicht wegen meines Talents, sondern aufgrund meiner Größe). Ich war so klein, dass Liesl (Nicola Bray aus der sechsten Klasse) mich nach oben tragen konnte, während die Von-Trapp-Kinder »So Long Farewell« sangen. Ich war in Nicola verliebt und wollte jeden Abend von ihr ins Bett getragen werden. Das war vor vierundvierzig Jahren. Manche Verliebtheiten vergehen nie.
Ich erkenne einige der Darsteller, darunter auch Sienna Hegarty, die im Chor mitspielt. Sie wollte unbedingt die Hauptrolle der Millie Dillmount haben, aber zur allgemeinen Überraschung bekam Erin Lewis den Part, und Sienna musste sich damit abfinden, nur die Zweitbesetzung zu sein.
Während ich sie auf der Bühne betrachte, wandern meine Gedanken zurück zu der Anhörung und Liam Baker. Ich komme darauf, weil Sienna die beste Freundin meiner Tochter ist. Ihre ältere Schwester Zoe wiederum ist das Mädchen im Rollstuhl, das einmal stehen, tanzen und rennen konnte, bis Liam Baker seinen »Ausraster« hatte.
Die Musik bricht ab, und Mr. Ellis, der Theaterlehrer, springt auf die Bühne und verändert die Position von ein paar Tänzern. Er trägt Turnschuhe und verwaschene Jeans und ist auf eine leicht unkonventionelle Art attraktiv. Eine Strähne seines dunkelblonden Haars fällt ihm in die Augen, und er streicht sie mit einer lässigen Handbewegung beiseite.
Die Szene beginnt von vorne – ein Streit zwischen dem Helden und der Heldin des Stückes. Millie will ihren Chef heiraten, obwohl es offensichtlich ist, dass Jimmy sie liebt. Die Auseinandersetzung eskaliert, und Jimmy packt Millie und drückt ihr unbeholfen einen Kuss auf den Mund.
Erin stößt ihn wütend von sich und wischt sich den Mund ab. »Keine Zunge, hab ich gesagt.«
Aus der Kulisse ertönen Pfiffe und Buhrufe, und der Junge
provoziert mit einer theatralischen Verbeugung weiteres Gelächter.
Wieder springt Mr. Ellis auf die Bühne, verärgert über die erneute Unterbrechung. »Was gibt’s da zu grinsen?«, faucht er Sienna an.
»Entschuldigung, Sir.«
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du im dritten Takt einsteigen sollst? Du hinkst immer einen Tick hinterher. Wenn du das nicht hinkriegst, stelle ich dich in die zweite Reihe. Und zwar dauerhaft.«
Sienna senkt missmutig den Kopf.
Der Theaterlehrer klatscht in die Hände. »Okay, wir machen die Szene noch einmal. Ich spiele deine Rolle, Lockwood. Es handelt sich um einen Kuss, okay? Niemand hat verlangt, dass du ihr die Mandeln herausnimmst.«
Mr. Ellis stellt sich Erin gegenüber auf, die für ihr Alter groß ist und flache Schuhe trägt. Die Szene beginnt mit dem Streit und endet damit, dass er einen einzelnen Finger unter ihr Kinn legt, ihr Gesicht zu seinem wendet und mit einer Stimme zu ihr spricht, die leise und zugleich durchdringend ist. Erin hat die Hände an den Körper gelegt, öffnet zitternd die Lippen und stolpert ein
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