Todeszauber
habe Ihnen doch von Isabels aufwendiger Showgarderobe erzählt. Und gerade ist mir eingefallen, dass ich mehrere Bücher zum Thema Zauberei in ihrem Bücherregal gesehen habe. Vielleicht ist sie als Zauberassistentin …«
»Dann kommt eigentlich nur das Hanse-Theater infrage«, unterbricht er mich. »Das ist das größte und bekannteste Varieté in Hamburg.«
»Wo ist das?«
»Auf dem Kiez. Ich mache Ihnen einen Termin mit dem Geschäftsführer«, sagt er und geht zur Tür.
»Kommen Sie mit?«, frage ich.
Er verzieht das Gesicht. »Würde ich gerne. Aber leider habe ich schon etwas anderes vor. Irgendjemand muss hier ja das Geld verdienen.«
7
Wilsberg fährt nach Hamburg
Am Hamburger Hauptbahnhof stieg ich aus dem Intercity. In den Zeiten, in denen ich Pia Petry besucht hatte, war ich noch eine Station weiter, bis zum Bahnhof Dammtor gefahren. Während der Zugfahrt hatte ich überlegt, ob ich sie vor oder erst nach dem Besuch bei Jason Sinclair anrufen sollte. Ein Funkloch hatte mir beim ersten Versuch die Entscheidung abgenommen.
Sinclairs Zauberladen befand sich im Stadtteil Sankt Georg, auf der Ostseite des Hauptbahnhofs. In derselben Straße, der Langen Reihe, hatte ich im Internet ein kleines, nicht allzu teures Hotel entdeckt und ein Zimmer gebucht. Das Hotel hieß wie seine Besitzerin: Daniela Hansen. Frau Hansen hatte sich per E-Mail bei mir gemeldet und mich gebeten, meine genaue Ankunftszeit anzugeben, da die Rezeption nicht ständig besetzt sei.
Mit umgehängter Reisetasche schlenderte ich die Lange Reihe entlang, vorbei an kleinen Cafés und Restaurants, die ebenso bunt und exotisch waren wie die Läden, in denen indischer Nippes oder vergriffene Bücher verkauft wurden. Der Eingang zum Hotel Hansen lag zwischen einem Dessous-Geschäft und einem Zeitschriftenladen. Ich klingelte und las, während ich wartete, die Überschriften der Lokalzeitungen, die im Ständer steckten: Am Vortag war eine Latina ermordet worden und ein Geistesgestörter hatte sich in einer Kindertagesstätte verschanzt. Großstadt eben.
Der Türöffner brummte. Begleitet von klassischer Musik schritt ich die Treppe zum ersten Stock hinauf, wo mich Daniela Hansen in einem Wohnzimmer erwartete, das gleichzeitig als Empfang diente. Trotz daumendicker Brillengläser, die ihre Augen grotesk vergrößerten, blickte sie wie eine Blinde durch mich hindurch. Erst als ich meinen Namen sagte, wich die Unsicherheit einem geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck.
»Wir haben Sie früher erwartet.«
»Aber ich habe Ihnen geschrieben, wann ich komme.«
»Zum Glück war ich ja da.« Sie tastete auf einer Ablage nach einem Schlüsselbund. »Ihr Zimmer ist gleich auf der anderen Flurseite. Achten Sie darauf, dass die Haustür verschlossen ist, wenn Sie weggehen!«
Ich versprach, daran zu denken, und nahm den Schlüsselbund aus einer Hand entgegen, die wie manches andere an Daniela Hansen darauf hindeutete, dass sie nicht ihr ganzes Leben lang eine Frau gewesen war.
Mein Zimmer war ähnlich wie der Empfang im Stil der Fünfzigerjahre eingerichtet, mit breitem Bett, Nierentisch, Sofa und Glastürenkleiderschrank. Für anheimelnde Atmosphäre sorgten hellbraune, grobe Holzdielen. Ich stellte die Reisetasche ab, ließ mich auf das Bett fallen und schloss die Augen. Durch die hohen Doppelfenster drang der Straßenlärm in den Raum.
Anna Ortega hatte mir nicht viel mehr über Jason Sinclair erzählen können, nicht einmal seinen bürgerlichen Namen kannte sie. Überhaupt hatte sie kaum noch geredet, nachdem die mehrstündige Vernehmung im münsterschen Polizeipräsidium vorüber gewesen war. Da mich Stürzenbecher gleich nach der Begrüßung wieder hinausgeschickt hatte, bekam ich von ihrer Aussage nichts mit. Während ich auf einer unbequemen Bank vor seinem Büro wartete, vertrieb ich mir die Zeit mit der Frage, in welches Restaurant ich Anna anschließend ausführen sollte. Eine Idee, die sie mit einem müden Lächeln beiseite gewischt hatte. »Ich kann nicht mehr, Georg. Ich bin fertig. Ich muss allein sein.«
Natürlich zeigte ich Verständnis, lächelte freundlich, als ich mich vor ihrem Hotel von ihr verabschiedete, und fuhr anschließend frustriert nach Hause.
Doch der Abend hatte noch ein positives Ende genommen. Sarah war wach gewesen und in der Lage zu telefonieren. Hinter der geschlossenen Tür ihres Kinderzimmers gestand sie, dass nicht der Tod Monettis, sondern mangelnde Vorbereitung den Kopfschmerz-und Übelkeitsanfall vor der
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