Todeszauber
Eingangshalle und die marineblauen Uniformen der Menschen hinter der matt gebürsteten Stahltheke des Empfangs. Das Ambiente erinnerte an die Rezeption eines Luxushotels und mit entsprechender Fünf-Sterne-Höflichkeit prüfte eine blau uniformierte Blondine mein Anliegen, bevor sie mich persönlich in den siebten Stock begleitete und erst von meiner Seite wich, als ich mich in der Obhut von Reichweilers Sekretärin befand.
Hier, in der Nähe des Allerheiligsten, war der Boden mit Parkett ausgelegt. An den Flurwänden hingen Ölgemälde von Frachtschiffen, die aus einer Zeit stammten, als die Ladung noch unter Deck und nicht in bunten Containern verstaut wurde. Die Sekretärin öffnete eine Tür, bat mich, noch einen Moment zu warten, und fragte, ob ich einen Cappuccino oder einen Tee wünsche. Ich verzichtete, da ich mich seit Verlassen des Hotels von nichts anderem als Kaffee ernährt hatte.
Dann trat ich ins Wartezimmer – und erstarrte. Vor mir saß Pia Petry. Konservativer gekleidet als im Cucaracha und ein wenig übermüdet, wie mir schien. Trotzdem bewirkte der Anblick, dass sich mein Herzschlag beschleunigte.
Sie war genauso überrascht wie ich. Und keine Spur freundlicher als sechzehn Stunden zuvor. »Verfolgst du mich?«
»Nein.« Ich setzte mich in den Sessel, der am weitesten von ihrem entfernt stand. Die Lektion der letzten Nacht hatte Spuren hinterlassen.
»Was machst du hier?«, zischte sie.
»Ich will mit Reichweiler reden.«
»Wieso?«
»Und du? Hat er dich zu einer Teestunde eingeladen?«
»Sei nicht blöd, Georg! Ich mache meinen Job.«
»Ach? Was denkst du wohl, weshalb ich hier bin?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das darf nicht wahr sein.«
»Was?«
»Dass wir schon wieder an demselben Fall arbeiten.«
Ich grinste. »Anscheinend will uns das Schicksal damit etwas sagen.«
»Bitte, Georg! Sag mir, dass du noch nie den Namen Isabel Ortega gehört hast.«
»Tut mir leid, Pia!« Ich genoss den Moment. »Ihre Schwester ist meine Auftraggeberin.«
»Isabel hatte eine Schwester? In Münster?«
»Anna Ortega ist Varietékünstlerin. Sie und ihr Mann, ein Magier, gastierten in Münster, als der Mann unter dubiosen Umständen starb. Ehrlich gesagt, habe ich vom Tod Isabels erst erfahren, als ich schon in Hamburg war.«
»Und wie bist du auf Reichweiler gekommen?«
»Er hat Isabel manchmal vom Cucaracha abgeholt. Wusstest du das nicht?«
»Nein. Ich habe sein Foto in ihrer Wohnung gefunden.«
Wir verstummten, weil wir Schritte auf dem Flur hörten.
»Herr Reichweiler kann Sie jetzt empfangen«, sagte die Sekretärin. »Gehören Sie zusammen?«
»Ja«, sagte ich.
»Nein«, sagte Pia.
Die Sekretärin schaute ratlos von mir zu Pia und wieder zurück.
Ich stand auf. »Meine Kollegin scherzt. Kommst du, Pia?«
Sie lächelte böse. »Natürlich.«
Auf dem Weg zu Reichweilers Büro hielt sich Pia hinter mir. Irgendwie ahnte ich, dass sie etwas vorhatte, und war gewappnet, als ich einen Tritt in die Wade bekam.
Das Büro des Reeders war nur unwesentlich kleiner als ein Handballfeld, er selbst dagegen von unterdurchschnittlicher Statur. Man musste kein Psychologe sein, um das eine mit dem anderen in Verbindung zu bringen. Und da reiche kleine Männer nicht nur übertrieben ehrgeizig sind, sondern auch auf große Frauen stehen, war ich praktisch nicht mehr existent, nachdem er Pia Petry entdeckt hatte.
Reichweiler führte Pia zu einer protzigen Sitzecke, die direkt vor der riesigen Glasfront platziert war und einen Panoramablick über den Hafen erlaubte.
»Was für ein fantastischer Ausblick!«, flötete Pia.
»Nicht wahr!« Er lächelte sie ölig an. »Wenn ich will, kann ich zusehen, wie meine Schiffe entladen werden.«
»Ich wette, Ihre Leute wissen das«, sagte ich.
Er tat so, als hätte er mich nicht gehört. »Setzen Sie sich doch!«, wandte er sich weiter an Pia. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
»Nein danke!«, sagte ich und nahm Platz.
Pia warf mir einen giftigen Blick zu und auch Reichweilers Charme bröckelte zusehends.
»Na schön.« Er streckte seine kurzen Beine unter den Tisch und legte die Fingerspitzen der linken Hand an die grau melierte Schläfe. »Kommen wir gleich zur Sache: Ich weiß, wer Sie sind und was Sie wollen.«
»Ach ja?«, rutschte es Pia heraus.
»Ich bin immer gerne informiert, mit wem ich es zu tun habe. Und da Sie sich großzügigerweise mit Ihren richtigen Namen gemeldet haben, war es für mein Büro keine große Schwierigkeit, Ihre
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