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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Würth
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auf den Lichtschalter drücke, stelle ich fest, dass es gar keinen Lichtschalter gibt, sondern nur die Projektion eines Lichtschalters. Das Licht geht aber trotzdem an und erhellt eine ausgesprochen skurrile Szenerie. Auf der Kuppe der Kugel liegen zwei rote Kunststoffpudel, von denen einer mir den Kopf zuwendet. Vor mir erheben sich fünf weiße, mannshohe Skulpturen, die die Form von aufrecht stehenden Eiern haben und rosarot angeleuchtet werden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Galerie befinden sich ebenfalls fünf Eier, die in blaues Licht getaucht sind. So weit, so gut. Aber wo, bitte schön, soll ich jetzt pinkeln?
    Als ich mich einem der Eier nähere, klappt die vordere Hälfte plötzlich auf und eine Frau tritt heraus. Erschrocken mache ich einen Schritt zurück. Die Frau bin ich.
    Kaum habe ich das realisiert, löst sie sich auch schon in Luft auf. Was bleibt, ist ein offenes Ei, das von innen wie ein Dixi-Klo aussieht. Irritiert starre ich darauf und überlege, ob ich vielleicht eine oder zwei Bloody Marys zu viel erwischt habe. Dann laufe ich zurück, warte, bis das Licht ausgeht, betätige den Lichtschalter, der eigentlich gar keiner ist, gehe auf das Ei zu und sehe mir dabei zu, wie ich es verlasse. Irgendwo im Haus muss eine Kamera installiert sein, die mich beim Verlassen eines der Zimmer gefilmt hat und diese Bilder jetzt auf das Toilettenei projiziert. Nachdem sich mein Abbild zum zweiten Mal verflüchtigt hat, betrete ich die Toilette und hoffe, im Innern von weiteren mystischen Begegnungen verschont zu bleiben. Misstrauisch äuge ich in die Kloschüssel. Da wird doch nicht auch noch eine Kamera drin sein?
    Soweit ich feststellen kann, ist da nirgends ein Objektiv. Doch ich traue dem Frieden nicht und verkneife mir, hier auf die Toilette zu gehen. Ich verlasse das Klo und entdecke zwischen den Eiern ein frei stehendes Edelstahlwaschbecken. Na wenigstens die Hände sollte ich mir gefahrlos waschen können. Allerdings klemmt der Abflussdeckel und das Becken läuft voll Wasser. Als es mir endlich gelingt, den Deckel zu lösen und das Wasser ablaufen zu lassen, glaube ich, im Abfluss etwas aufleuchten zu sehen. Neugierig spähe ich hinein, innerlich auf weitere »zauberhafte Gags« gefasst. Doch es passiert nichts.
    Ich krame einen Augenbrauenstift aus meinem Schminkbeutel und fische das blinkende Teil aus dem Abfluss: eine Kreole mit einem tropfenförmigen Rubin. Nachdenklich halte ich das Schmuckstück gegen das Licht und betrachte den funkelnden Stein. Dann fällt mir ein, wo ich das Pendant gesehen habe: in der Wohnung von Isabel Ortega. Der Frau, die Florian von Sandleben angeblich noch nie getroffen hat.

11
    Wilsberg mag kein Frühstück
    Das Handy weckte mich. Wenn ich dem Display trauen konnte, war es schon elf Uhr. »Ja«, stöhnte ich.
    »Was ist los?«, fragte Franka.
    »Nichts. Es geht mir nicht so gut.«
    »Hast du gestern getrunken?«
    »Ein bisschen«, gab ich zu.
    »Dann melde ich mich später.«
    »Nein.« Ich richtete mich auf. »Ich bin okay.«
    Tatsächlich bewegten sich der Boden und die Wände nicht mehr. Auch mein Magen hatte sich einigermaßen beruhigt. Bis auf einen fiesen Kopfschmerz fühlte ich mich fit. Vor zwei Stunden hatte ich auf Frankas Anrufbeantworter gesprochen und sie gebeten, den Besitzer des Wagens ausfindig zu machen, in den Isabel Ortega vor dem Cucaracha gestiegen war. Franka konnte so etwas. Sie war Rechtsanwältin in Münster und hatte einen guten Draht zum Straßenverkehrsamt. Außerdem hatte sie als Studentin ein paar Jahre in meinem Detektivbüro gejobbt. Mittlerweile schob sie mir ab und zu einen Auftrag zu, wenn ihre Mandanten professionelle Hilfe beim Ausschnüffeln von Partnern, Konkurrenten und Angestellten benötigten.
    »Das ER im Nummernschild steht für Ernst Reichweiler«, sagte Franka.
    »Und wer ist das?«, fragte ich.
    »Bist du der Detektiv oder ich?«
    »Mach’s nicht so spannend!«, bat ich. »Ich weiß genau, dass du keine Sekunde gezögert und sofort im Internet nachgeforscht hast. Hier in meinem schnuckeligen Hotelzimmer bin ich von allen Informationsquellen abgeschnitten.«
    »Also gut. Ernst Reichweiler ist ein stinkreicher Reeder. Unternehmer des Jahres 1999. Northsea Shipping GmbH. Containerschiffe, die großen Pötte. Das, was im Moment boomt. Außerdem besitzt er zwei Hotels auf Norderney und einige Gebäude in Hamburg.«
    »Familie?«
    »Eine Frau. Drei Jahre jünger als er. Die Reichweilers wohnen in einer schnieken weißen

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