Todeszauber
…« Und etwas später: »In der Post? Ich bin in den letzten Tagen nicht dazu gekommen.« Schließlich: »Ich melde mich bei Ihnen.«
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, fixierte sie Cornfeld mit einem bohrenden Blick.
»Kann sein, dass da ein Brief gekommen ist. Liegt alles auf Ihrem Schreibtisch«, gab der Assistent zu.
»Das hätten Sie mir auch schon früher sagen können.«
»Wann denn? Sie sind doch kaum noch im Büro.«
»Jetzt übertreiben Sie nicht so maßlos. Es hätte genügend Gelegenheiten gegeben, mir von diesem Brief zu erzählen.«
Pia verließ den Raum und kehrte nach kurzer Zeit mit einem Umschlag zurück, aus dem sie eine schwarze Karte zog. »Von Sandleben lädt mich zu einer privaten Zaubervorstellung ein. In seinem Haus.«
»Heute?«, fragte ich.
»Sie wollen doch nicht etwa hingehen?«, erkundigte sich Cornfeld.
»Warum nicht?«, gab Pia zurück.
»Weil der Typ nicht sauber ist.«
»Woher wollen Sie das wissen, Sie kennen ihn doch gar nicht.«
»Erstens gehört er, nach allem, was Sie erzählt haben, zur Zauberloge und zweitens habe ich ihn schon mal gesehen, in einem anderen Zusammenhang.«
»Wo?«
»Bei Gerassimov. Mit einer ganzen Horde von Anzugträgern. Und da ging es um handfeste Geschäfte. Da war die Rede von Aktien und von sehr, sehr viel Geld. Und die Typen sind ziemlich sauer geworden, als sie merkten, dass ich noch im Zimmer war.«
Pia öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann murmelte sie: »Dieser kleine Scheißer! Er hat mich schon wieder belogen. Von wegen keinerlei persönliches Interesse an Geschäften.« Sie straffte den Rücken. »Gerade deshalb sollte ich hingehen.«
»Haben Sie vergessen, was beinahe mit Anna im Hanse-Theater passiert wäre?«, protestierte Cornfeld. »Allein bei einer Zaubervorstellung aufzukreuzen …«
»Wieso allein?«, schnitt ihm Pia das Wort ab. »Georg wird mich bestimmt gern begleiten.«
»Ach so.« Cornfelds Mundwinkel sackten nach unten.
»Um wie viel Uhr?«, fragte ich.
»Um acht. Holst du mich um sieben zu Hause ab – mit einem Auto?«
Pia sah schick aus in ihrem weinroten Hosenanzug, über dem sie einen leichten Mantel trug. Für meinen Geschmack ein wenig zu elegant, wenn man bedachte, dass sie sich nicht für mich, sondern für Herrn von Sandleben aufgebrezelt hatte.
»Hast du nichts Besseres auftreiben können?«, fragte sie mit einem hörbaren Naserümpfen, als ich vor dem Mietwagen stehen blieb.
»Er fährt, er hat zwei Sitze und er war das Preisgünstigste, was die Firma im Angebot hatte.«
»Smart an sich ist ja okay«, sagte Pia, während ich aus der Parklücke ausfädelte. »Aber musste es ein orangefarbener sein?«
»Wir wollen doch niemanden verfolgen. Er soll uns lediglich zu dem kleinen Landhaus deines Millionärs bringen.«
»Mein Millionär?«
»Er baggert dich an. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
»Manche jungen Männer flirten eben gern mit älteren Frauen.«
»Und manche ältere Frauen lassen sich das gern gefallen.«
»So alt bin ich nun auch wieder nicht«, reagierte sie prompt eingeschnappt. »Soll ich dir was verraten, Georg? Männer, die so gut aussehen wie von Sandleben und die über ein Vermögen verfügen, das sie wahrscheinlich nur mithilfe ihres Finanzberaters überblicken können, üben auf fast jede Frau eine gewisse Attraktion aus.«
»Touché«, sagte ich. »Da kann ich natürlich nicht mithalten.«
»Dafür hast du andere Qualitäten.«
Ich blinzelte zu ihr hinüber. »Im Ernst?«
Sie lachte. »Nein. Übrigens hättest du gerade rechts abbiegen müssen.«
»Und woher sollte ich das wissen? Ein Navigationsgerät hätte zehn Euro mehr pro Tag gekostet.«
Da Pias Orientierungssinn eher unterdurchschnittlich ausgeprägt war, verbrachten wir eine gewisse Weile damit, einen Weg zur Autobahn zu finden. Als wir die A 7 endlich erreicht hatten, bekam Pia einen Anruf von Cornfeld. Ihrem Gesprächsanteil entnahm ich, dass die Verbindung sehr schlecht war, sie aber immerhin so viel verstand, dass Cornfeld Anna gefunden hatte und sie irgendwohin unterwegs waren.
Dann nahm der Feierabendverkehr meine Aufmerksamkeit in Anspruch, sodass wir schon auf der Landstraße fuhren, die uns nach Pias Auffassung zu Sandlebens Haus führen sollte, als ich das Gespräch wieder auf unseren Gastgeber brachte.
»Wie privat ist die Vorstellung eigentlich, zu der von Sandleben dich eingeladen hat?«
»Das werden wir ja gleich sehen«, sagte Pia. »Wir sind da.«
Im Dämmerlicht des
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