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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Würth
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zu Ende gehenden Tages tauchte auf der rechten Seite ein reetgedecktes Fachwerkhaus auf.
    Ich ließ den Wagen auf der schmalen Auffahrt ausrollen. Weit und breit standen keine anderen Autos herum. Offenbar hatte von Sandleben an eine sehr private Show gedacht.
    Noch bevor wir auf den Klingelknopf drücken konnten, wurde die Tür von einer ebenholzfarbigen Schönheit geöffnet, die uns wortlos begrüßte und dann mit einem federnden Gang vor uns herschritt, in der sicheren Annahme, dass wir es nicht wagen würden, vom vorgegebenen Pfad abzuweichen.
    Pia flüsterte mir zu, dass es sich um Sandlebens Haushälterin handelte, aber ich konnte mir das Wesen vor uns beim besten Willen nicht mit einem Putzlappen oder an einem Herd vorstellen. Allenfalls war sie als Aufseherin eines Heeres von Putz-und Kochsklaven denkbar – in irgendeinem mittelalterlichen arabischen Palast.
    Nachdem wir einen Fußmarsch quer durch das Haupthaus zurückgelegt hatten, blieb unsere Führerin neben einer geöffneten Tür stehen. Mit einer dezenten Verbeugung deutete sie an, dass wir das Ziel erreicht hatten. Wir betraten einen mit viel Geld und Geschmack umgebauten Stall, der eine lichte Höhe von mindestens zehn Metern bis zum hölzernen Dachfirst aufwies. Und etwa in der Mitte des riesigen Saales, vor einem merkwürdigen Gebilde, das einer überdimensionalen Kuckucksuhr nicht unähnlich sah, stand der Maestro höchstselbst. Sein Strahlen wirkte etwas angestrengt, als er bemerkte, dass Pia nicht allein erschienen war, sondern einen Bodyguard mitgebracht hatte, doch darüber hinaus ließ er sich seine Enttäuschung nicht anmerken.
    »Pia! Ich freue mich. Und der Herr Wilsberg ist auch gekommen.« Er küsste Pia auf die Wangen und schüttelte meine Hand ein wenig länger, als nötig gewesen wäre.
    »Pia hat mich gebeten, sie zu begleiten«, sagte ich. »Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen.«
    »Nicht das Geringste. Zauberei ist die Kunst der Improvisation.«
    »Und was steht auf dem Programm?«, fragte Pia munter.
    »Wollen wir nicht erst einen Drink nehmen?« Von Sandleben machte eine Handbewegung.
    Ohne dass ich ihr Kommen bemerkt hätte, stand die sogenannte Haushälterin hinter uns. Auf den gespreizten Fingern ihrer rechten Hand balancierte sie ein silbernes Tablett mit drei Martini-Gläsern, in denen eine rosafarbene Flüssigkeit schimmerte, garniert mit aufgespießten Kirschen.
    »Was ist das?«, fragte ich die Frau.
    Entgegen meiner Erwartung, dass sie entweder taubstumm oder des Deutschen nicht mächtig sei, antwortete sie vollkommen akzentfrei: »Unser Hausaperitif.«
    »Und woraus besteht der?«
    »Ein bisschen aus diesem und ein wenig aus jenem.«
    Ich wartete, bis von Sandleben den ersten Schluck genommen hatte. Wer Kröten aß, trank ja vielleicht auch Tollkirschensaft.
    Er bemerkte mein Zögern und lächelte herablassend. »Die Zutaten sind in jedem gut sortierten Supermarkt erhältlich.«
    Das Getränk schmeckte fruchtig, mit einem Hauch Alkohol und einem leicht bitteren Abgang, wie ein Date mit einer Angebeteten, bei dem sich herausstellt, dass sie einen anderen liebt.
    »Haben Sie das extra für uns gebaut?«, fragte Pia mit Blick auf die etwa drei Meter hohe Konstruktion, die auf einer Plattform ruhte. Die Seitenwände bestanden, soweit ich das erkennen konnte, aus braun gemaserten Holzimitaten, die ein etwa drei mal drei Meter großes Podest umgaben. Auf der Vorderseite befand sich eine Tür und direkt daneben, in Kopfhöhe, ein kleines, mit einem pergamentähnlichen Material verkleidetes Sprossenfenster, hinter dem es in allen Farben des Spektrums abwechselnd leuchtete. Der Hit des Hexenhäuschens war allerdings das windschiefe, spitz zulaufende Dach, auf dem eine mechanische Eule thronte, die ihren Kopf in verschiedene Richtungen drehte und dabei mit den Augen blinzelte.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte von Sandleben.
    »Es ist amüsant«, antwortete Pia ausweichend.
    »Auf dem Jahrmarkt könnten Sie damit bestimmt kleine Kinder erschrecken«, sagte ich.
    »Warten Sie ab! Vielleicht gelingt es mir, sogar Sie zu verblüffen.« Von Sandleben zeigte zwei Reihen blendend weißer Zähne. »Doch zuvor möchte ich Ihre Aufmerksamkeit schärfen.«
    Während wir zu einem Tisch gingen, der neben einem riesigen weißen Sofa stand, veränderte sich das Deckenlicht fast unmerklich. Hatte zuvor das Häuschen am hellsten geleuchtet, so war es jetzt der Tisch, der von oben angestrahlt wurde. Obwohl ich außer dem Hausherrn und seiner

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