Todeszauber
Kind zwischen seinen Beinen hätte spielen können.
Es war ein ruhiger, warmer Tag, als Bony um neun Uhr durch das Gattertor und am Südzaun der Grünsumpf-Weide entlangritt. Trotzdem war er deprimiert. Er spürte, daß Diana Lacy ihn ablehnte, weil er ein Mischling war. Jeder andere Mann hätte nicht weiter darüber nachgedacht, doch Bony war in dieser Hinsicht mit einem Minderwertigkeitskomplex belastet.
Man hatte ihm auf Karwir vorbildliche Gastfreundschaft gewährt. Das gestrige Abendessen war ausgezeichnet, ebenso das heutige Frühstück, und die Bedienung mustergültig. Doch während des Abendessens hatte Diana kaum gesprochen, und wenn sie einmal etwas sagte, dann ließ ihre kühle Höflichkeit deutlich spüren, daß sie diesen Mischling verachtete. Und wie sie ihn mit ihren kalten blauen Augen gemustert hatte!
Der Sonnenschein und die sanfte Brise aus Osten vertrieben schließlich seine trüben Gedanken. Kate, die rotbraune Stute, hatte einen ruhigen Trab eingeschlagen, und schon bald gelangte Bony in die Ausläufer des Mulgawaldes, der sich im Süden dehnte.
Vor fünf Monaten war ein Mann auf dem Schwarzen Kaiser, wenige Stunden vor einem heftigen Regen, in die Grünsumpf-Weide geritten. Um den Grenzzaun abzureiten, mußte er sechsunddreißig Meilen zurücklegen. Glücklicherweise war die Weide nicht groß, umfaßte lediglich achtzig Quadratmeilen. Sie bestand aus Steppe, aus Mulgawald und Buschwerk, aus Wasserläufen und Sanddünen.
Wenn man bedachte, welch große Zeitspanne zwischen Andersons Verschwinden und dem Beginn von Bonys Ermittlungen lag, mußten seine Bemühungen aussichtslos erscheinen. Jeder andere würde vor solchen Schwierigkeiten kapituliert haben, nicht aber Bony. Im Gegenteil, gerade diese Schwierigkeiten reizten ihn.
Das Verschwinden des Lassos, das ja zweifellos am Hals des Pferdes befestigt gewesen war, legte den Schluß nahe, daß Anderson getötet und die Leiche verscharrt worden war. Wäre er lediglich vom Pferd gestürzt, hätte man ihn irgendwann finden müssen. Und sollte er sich aus einem unbekannten Grund aus dem Staub gemacht haben – so etwas kam ja immer wieder vor –, dann hätte er zweifellos seinen Hut mitgenommen, und da er in seine Stockpeitsche vernarrt war, auch diese. Warum aber sollte er das Lasso mitgenommen haben, nicht aber den Wassersack, der für ihn in dieser Gegend Australiens wichtiger war als alles andere?
Der Sandboden des Waldes war vom Wind geglättet und bot nur anspruchslosem Stachelgras Nahrung. Die Männer, die in den vergangenen Jahren am Grenzzaun entlanggeritten waren, hatten einen deutlich sichtbaren Pfad hinterlassen, dem Bony folgte. Von der leichten Brise war hier nichts zu spüren. Aus dem rotbraunen Sand hoben sich die kurzen, dunkelgrünen Stämme der Mulgabäume, während der Himmel azurblau leuchtete. Um zwölf Uhr erreichte Bony die erste Ecke acht Meilen östlich vom Herrenhaus.
Hier machte er eine Stunde Mittagsrast, kochte sich Tee und aß das Mittagsbrot, das er sich in eine Serviette hatte einwickeln lassen. Bis jetzt war keine Spur von Anderson zu entdecken gewesen. Der weiche Sand hatte alles verschluckt.
Von dem Eckpfosten aus verlief der Zaun nunmehr in nördlicher Richtung. Nach einer Meile hörte der Mulgawald auf, und Bony gelangte in die Steppe, die die südliche Hälfte der Weide einnahm. Die Sonne strahlte nun mit ungebrochener Kraft auf Reiter und Pferd, und auch der Wind war deutlicher zu spüren. In der Hitze flimmerte die Luft, und aus der Fata Morgana ragten in der Ferne Dünen und Baumgruppen. Bony hatte ungefähr fünf Meilen zurückgelegt, als er zu ausgedehnten Lehmflächen gelangte. Auch der Schwarze Kaiser mußte Jeffery Anderson damals über diesen harten Grund getragen haben.
Bony stieg ab und führte das Pferd am Zügel. Manchmal schlug er einen weiten Bogen, dann wieder ging er im Kreis oder beugte sich tief hinab, um dicht über dem Erdboden entlang zu blicken. Viermal legte er sich sogar flach auf den Bauch.
Als sich Bony am Morgen die Hufeindrücke des Schwarzen Kaisers angesehen hatte, war ihm aufgefallen, daß der Wallach mit dem rechten Vorderhuf kräftiger auftrat als mit dem linken. Um nun die Balance zu halten, mußte er mit dem linken Hinterhuf kräftiger auftreten als mit dem rechten. Am Abend zuvor hatte Bony die Hufe beschnitten, wobei er alles beseitigt hatte, was seit April nachgewachsen war. Es ließ sich ja leicht an der helleren Färbung erkennen.
Es wäre sinnlos gewesen, nach
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