Todeszauber
fünf Monaten auf sandigem Boden noch nach Spuren des Schwarzen Kaisers zu suchen. Auf einer harten Lehmfläche aber konnten sich Hufeindrücke jahrelang halten, man benötigte allerdings die Augen eines Napoleon Bonaparte, um sie zu entdecken. Bony hatte das Empfinden, in unregelmäßigen Abständen Hufspuren zu erkennen, aber sicher war er nicht.
Er ritt acht Meilen nach Norden, dann stieg er am Fuß der Dünen ab, die sich vom Grünen Sumpf bis hinüber in die Mount-Lester-Station zogen. Hier, wo der Zaun über die Dünen kletterte, hatte Anderson nach Bonys und Lacys Ansicht Mittagsrast gemacht. In einiger Entfernung vom Zaun wuchs ein einsamer Tigerholzbaum – der ideale Platz, um den Schwarzen Kaiser anzubinden.
Bony erinnerte plötzlich an einen Polizeihund, der die Spur eines Flüchtigen aufgenommen hat. Er band seine Stute an einen Mulgabaum, kehrte zum Tigerholzbaum zurück und untersuchte dessen Stamm.
Die Rinde des Tigerholzbaums ist weich, gefleckt und graugrün. Bony hoffte, an der Stelle, an der das Lasso befestigt gewesen war, eine Einkerbung zu finden, doch er konnte nichts entdecken. Der Boden bestand aus feinem Sand, und Bony untersuchte die Wurzeln. Ein ungeduldig stampfendes Pferd würde zweifellos mit seinen Hufen die Rinde der Wurzeln beschädigt haben. Er konnte aber keine Verletzungen entdecken. Mit einem dünnen Stöckchen stocherte er im Sand herum, hoffte etwas zu finden, was der Wind verweht hatte. Dabei stieß er auf weiße Asche. Durch den Regen war sie zusammengebacken, später hatte der Wind Sand darüber geweht. Hier also hatte Anderson ein Lagerfeuer entzündet.
Bonys blaue Augen leuchteten. Er stand auf und drehte sich lächelnd eine Zigarette. An den glatten Stamm des Tigerholzbaums gelehnt, blickte er nach Osten. Zu seiner Rechten begann die Steppe, zu seiner Linken erhoben sich die Dünen, und ungefähr zwanzig Meter vor ihm verlief der einfache Drahtzaun, der Karwir und die Mount-Lester-Station voneinander trennte.
Hier hatte Anderson sein Mittagsbrot verzehrt, hatte beobachtet, wie sich die Regenwolken immer näher schoben. Vielleicht war er auch bereits hier vom Regen überrascht worden. Bony kam zu dem Schluß, daß es unter diesen Umständen unnötig gewesen war, zum Sumpf und zur Hütte zu reiten. War Anderson nun einfach nach Norden weitergeritten? War er aus irgendeinem Grund über den Zaun auf das Gebiet der Mount-Lester-Station geklettert? Weit im Südosten erhob sich neben einer Wellblechhütte ein Windrad. Hatte Anderson etwa gar den Drahtzaun zerschnitten, hatte den Schwarzen Kaiser mit nach drüben genommen? Diese Möglichkeit mußte näher untersucht werden.
Am Fuße der Dünen dehnten sich die üblichen Lehmflächen. Bony hielt sich nicht damit auf, sie zu untersuchen, denn brauchbare Hinweise hätte er doch nicht gefunden. Außerdem war er überzeugt, daß die Asche von Andersons Feuerstelle stammte.
Bony holte sein Pferd und ritt am Zaun entlang weiter. Er gelangte in eine phantastische Welt aus gigantischen Sandwogen, über die der Wind einen Staubschleier zog. An manchen Stellen war der Sand mit Lehm vermischt, bildete Pfeiler und Pyramiden, seltsame, surrealistisch anmutende Gebilde.
Nach zwei Meilen hörte diese Traumwelt auf, und Bony gelangte zur nächsten Ecke des Zaunes. Hier wurde der einfache Drahtzaun, der die Grenze zwischen Karwir und der Mount-Lester-Station bildete, von einem mit Stacheldraht bewehrten Maschendrahtzaun abgelöst, der Karwir von Meena trennte.
Nun mußte Bony in westlicher Richtung weiterreiten, und nachdem er die Dünen hinter sich gelassen hatte, war es noch eine Meile bis zur dritten Ecke. Der Zaun verlief jetzt in südlicher Richtung, durchquerte die flachen, breiten Gräben, zwischen denen schmale Sandzungen verliefen, auf denen einzelne Flaschenbäume wuchsen. Bei den Gräben war der Zaun in äußerst schlechter Verfassung. Der vom Regenwasser verrostete Maschendraht hätte sich am Boden gelöst und nach oben gerollt, bildete also für die Kaninchen kein Hindernis mehr.
Der nächste Eckpfosten – von hier aus verlief der Zaun wieder in westlicher Richtung – stand an der südlichsten Stelle der Graben. Von dort aus konnte man den Buschpfad sehen, der von der Straße nach Opal Town aus zur Hütte am Grünen Sumpf führte.
Bony verließ den Zaun, ritt nach Osten, bis er den Buschpfad erreichte, und folgte ihm zu dem breiten Gürtel aus Buchsbäumen, der den Sumpf säumte. Die Hütte lag auf einer kleinen Anhöhe
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