Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Zimmer zum offensichtlichen Arbeitsplatz einer Sekretärin machte.
In einem Seitenregal entdeckte Charlotte eine ganze Reihe Telefonbücher von Herzheim und Umgebung sowie den nächstgelegenen Kreisstädten. Sie zog das entsprechende Buch heraus, schlug es auf und blätterte zu den Seiten mit den Einträgen für die kleine Ortschaft, in der ihre Mutter aufgewachsen war.
Nicht einmal eine Minute später fand sie den Eintrag, den sie gesucht hatte: Funke, U. und H., mit Adresse und Telefonnummer.
Charlotte hörte das Gezeter von Elisabeth Goldstein am Ende des Flurs. Kurz entschlossen riss sie die Seite aus dem Telefonbuch und lief aus dem Gebäude, bevor die alte Dame sie zur Rede stellen konnte. Irgendwann in den nächsten Tagen würde sie vielleicht die Ruhe finden, sich mit einer Karte und einem Strauß Blumen für ihren rüpelhaften Auftritt zu entschuldigen. Auch der Tee und die Pralinen, um die die Archivarin sie gebeten hatte, befanden sich noch in ihrem Rucksack.
In sicherer Entfernung zum Rathaus studierte sie die Adresse ihrer mutmaßlichen Großeltern. Es war nicht dieselbe Straße, in der das Rathaus lag, also musste es eine der kleinen Seitenstraßen sein. Charlotte ging die Hauptstraße systematisch ab und wurde kurze Zeit später fündig.
Die Straße, die sie suchte, war eine schmale, holprige Gasse, die zwischen Fachwerkhäusern hindurchführte und vor einem etwas größeren Gebäude endete, das vermutlich nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut und inzwischen modernisiert worden war.
Eines der wenigen Häuser in Herzheim, die in Mietwohnungen unterteilt waren, mutmaßte Charlotte, als sie neben der Eingangstür insgesamt sechs Klingelschilder entdeckte. Auf einem stand der Name Funke, und ihr Zeigefinger schwebte bereits gefährlich über der Klingel, als sie zögernd verharrte.
Was wollte sie eigentlich sagen? Wollte sie die beiden Leute, die vermutlich das Rentenalter längst erreicht hatten, einfach überfallen und ihnen mitteilen, dass sie ihre Enkelin war und ein paar Fragen hatte? Und übrigens, eure Tochter ist tot, ermordet von irgendeinem Irren?
Nein. Das hätte nur viel zu viele Erklärungen notwendig gemacht.
Charlotte entschied, sich nur nach ihrer Tochter und den damaligen Geschehnissen zu erkundigen. Ob sie sich zu erkennen geben würde, wollte sie von der Situation abhängig machen. Sie tendierte jedoch dazu, ihre Identität erst einmal für sich zu behalten.
Es sei denn, anders würde sie keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. Die Gefahr, dass ihre Großeltern sie der Wohnung verwiesen, sobald sie sagte, dass sie etwas über die Vorfälle vor fünfundzwanzig Jahren erfahren wollte, war groß.
Sie klingelte und wartete.
Wenig später ertönte ein Knistern in der Gegensprechanlage. »Ja, bitte?« Die dunkle Stimme einer Frau.
»Guten Tag. Mein Name ist Seydel. Ich würde gerne mit Ursula und Heinz Funke sprechen.«
Ein Zögern, das selbst durch die Anlage spürbar war. »Worum geht es denn?«
»Es ist wichtig. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Ein Schnaufen drang aus dem Lautsprecher. »Wir kaufen nichts.«
»Ich will Ihnen nichts verkaufen, Frau Funke. Ich würde gerne mit Ihnen reden.« Charlotte wusste nicht, ob es eine gute Idee war, trotzdem fügte sie hinzu: »Es geht um Ihre Tochter.«
Stille. Sekunden verstrichen. Sie befürchtete schon, dass die Frau überhaupt nicht mehr an der Anlage war, und überlegte, ob sie noch einmal klingeln sollte, als die Stimme wieder ertönte.
»Sind Sie Reporterin?«
»Nein, ich komme nicht von der Zeitung.« Sie zögerte, doch letztlich kam ihr die Lüge leicht über die Lippen. »Ich bin Studentin der Kriminologie an der Universität Karlsruhe. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen in Bezug auf Ihre Tochter. Die Informationen werden selbstverständlich vertraulich behandelt, und falls Sie nicht damit einverstanden sind, werden sie auch nicht weiterverwendet.«
Wieder schwieg die Anlage fast eine Minute lang. Im Hintergrund war Gemurmel zu hören. »Also gut, kommen Sie herein. Es ist im ersten Stock.«
Ein Summen ertönte, und Charlotte drückte die Tür auf. Mit jeder Treppenstufe wuchs ihre Aufregung. Ihre Handflächen waren feucht, als sie schließlich den oberen Absatz erreichte und ihr Blick auf eine geöffnete Wohnungstür fiel.
Im Eingang stand eine Frau, die auf die Siebzig zugehen musste. Das Alter hatte sie bereits gezeichnet, und im Gegensatz zu Elisabeth Goldstein machte sie keinen resoluten,
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