Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
ohnehin geröteten Augen.
Also begnügte sie sich mit der Taschenlampe, überprüfte die Batterien und stieg aus.
Ihr schlug eine Welle feuchter Luft entgegen, die ihr nach der klimatisierten Fahrt beinahe den Atem nahm. Es war zwar bereits Anfang Oktober, doch tagsüber herrschten nach wie vor fast sommerliche Temperaturen, die wegen gelegentlicher Regenfälle von einer drückenden Schwüle begleitet wurden. Selbst die nächtliche Kühle vermochte die Feuchtigkeit nicht nachhaltig zu vertreiben.
Der Lichtkegel der Taschenlampe erfasste einen Trampelpfad, der tiefer in den Wald und auf das Licht zuführte, das zweifellos von Lampen stammte, die am Fundort aufgestellt waren. Der Pfad sah ebenso zugewachsen aus wie der Weg, den sie mit dem Auto gekommen war. Es gab aber deutliche Spuren, die darauf hinwiesen, dass hier diese Nacht schon jemand durchgekommen war.
Vermutlich die beiden Insassen des Corsa.
Jennifer marschierte einige Minuten, dann musste sie den Pfad verlassen. Ihre Trekkingstiefel sanken in den weichen, von Blättern bedeckten Waldboden, doch glücklicherweise hatte sich die Erde trotz der Regenfälle noch nicht gänzlich von dem extrem heißen, trockenen Sommer erholt. Normalerweise war dieses Gebiet besonders feucht, der Boden beinahe sumpfig.
Der Wald öffnete sich vor ihr zu einer etwas größeren Lichtung. Mehrere Taschenlampen schwenkten in ihre Richtung und blendeten sie für ein paar Sekunden, bevor die Beamten sie erkannten und die Lampen senkten, mit denen sie zusätzlich zu den zwei aufgestellten Flutlichtern den Fundort beleuchteten.
Vier Uniformierte von der Schutzpolizei standen um eine trichterförmige Grube von gut zehn Metern Durchmesser herum, deren Ränder mit Laub bedeckt waren. In einigen Metern Tiefe maß das Loch noch immer gut fünf Meter, und der Boden bestand aus einer schwarzen, schlammigen Schicht, aus deren Mitte eine Insel aus Granitgestein ragte.
Drei Männer in bis zur Brust reichenden Gummihosen steckten beinahe hüfttief im Schlamm. Sie hatten eine kurze, tiefe Metalltrage dabei und machten sich an blauen Plastiksäcken zu schaffen, die zwischen den kantigen Granitfelsen im Morast steckten.
Es stank nach Fäulnis und Verwesung. Der typische Leichengeruch war unverkennbar.
Thomas Kramer, der den Einsatz der Schutzpolizei vor Ort leitete, kam mit ernster Miene auf Jennifer zugeschlendert. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte nervös. Die Folgen einer überlangen Schicht und des Nikotinentzugs. Kramer war starker Raucher, und es fiel ihm nicht leicht, an Tat- oder Fundorten auf seine geliebten Zigaretten zu verzichten.
»Hallo, Jennifer. Schön, dass du es so schnell geschafft hast.«
Sie bemerkte den leicht bissigen Unterton, der sich in die Stimme des knapp dreißigjährigen Polizeiobermeisters geschlichen hatte, ignorierte ihn aber.
Selbst Professor Meurer war schon da. Im Gegensatz zu allen anderen wirkte der Gerichtsmediziner frisch und ausgeruht. Seine Kleidung saß perfekt, auch wenn die dunkelgraue Tweedhose nicht unbedingt zu den klobigen Arbeitsstiefeln passte, die er sonst vermutlich nur bei der Gartenarbeit trug.
Der Professor stand mit Jarik Fröhlich von der Spurensicherung zusammen und beobachtete eher missmutig als konzentriert, wie die Männer mit der Bergung des Fundes kämpften.
Jennifer hätte auch eine halbe Stunde später kommen können, ohne dass Kramers Einsatz sich verlängert hätte, doch sie nahm ihm seine Frustration nicht übel.
Die Schutzpolizei von Lemanshain hatte in letzter Zeit ebenso mit Unterbesetzung zu kämpfen wie fast jede andere Behörde, die mit ihrem aktuellen Fall zu tun hatte. Auf die Zahl der Leichen, mit denen sie seit Anfang des Jahres konfrontiert wurden, waren sie einfach nicht vorbereitet. Und bisher taten die Stadtoberen nichts, um diesem Problem angemessen zu begegnen.
»Ich habe dich sofort angerufen, als der Notruf reinkam«, fügte Kramer hinzu und stieß ein Seufzen aus. Er war offensichtlich erleichtert, dass er die Verantwortung jetzt an sie, die zuständige Kriminalbeamtin, abgeben konnte.
Jennifer schenkte ihm ein Lächeln, das vermutlich nicht halb so aufmunternd wirkte wie beabsichtigt. »Sorry, Thomas, ich glaube, ich habe mich verfahren.«
Er nickte und fuhr sich mit der Rechten durch die kurz geschnittenen dunkelblonden Haare. Das tat er immer, wenn die Lust auf eine Zigarette allzu groß wurde und er seine Hände mit irgendetwas beschäftigen musste. »Falsche Seite. Der
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