Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Möglichkeiten erkämpft hatten, in Gefahr geraten könnte.
Also stand das Team um Kriminaloberkommissarin Jennifer Leitner und ihren Partner Marcel Meyer mit einem verrückten Mörder und seinen Opfern ziemlich alleine da.
Selbst der Presseauflauf, den die ersten drei Opfer noch auslösten, hatte die Verantwortlichen nicht zum Umdenken bewegen können. Sie hatten das mediale Interesse geschickt ausgesessen, bis aus den Schlagzeilen Randnotizen geworden waren. Wirtschaftskrise und Stuttgart 21 hatten schnell wieder die Titelseiten übernommen. Die lokale Presse berichtete zwar noch immer, doch bissige Kommentare im Lemanshainer Stadtanzeiger interessierten in den oberen Etagen nun mal niemanden.
Natürlich war Jennifer froh, dass die Reporter wieder abgezogen waren und sie sich nicht auch noch mit den Medien herumschlagen musste. Manchmal wünschte sie sich trotzdem im Stillen zumindest einen kleinen Skandal, der ihre Chefs endlich zum Handeln zwingen würde. Marcel und ihr hätte die eine oder andere Unterstützung, beispielsweise durch die Hanauer Kripo, wirklich nicht geschadet.
Und jetzt war auch noch eine Leiche aufgetaucht, die offenbar nicht auf das Konto des »Künstlers« ging. Der Fund passte in keiner Weise in sein Muster. Unfall oder Selbstmord waren allerdings ausgeschlossen. Mit etwas Glück hatten sie es mit morbidem Versicherungsbetrug zu tun. Vielleicht kassierte jemand die Rente eines längst verstorbenen Verwandten, dessen Leiche er nach dem Auffinden entsorgt hatte.
So richtig daran glauben konnte Jennifer allerdings nicht. Wenn die Leiche im Wald ordentlich vergraben worden wäre und nicht zerstückelt, dann vielleicht … So allerdings wies ihre Intuition eher in Richtung Totschlag oder Mord.
Sie seufzte, als sie ihren Wagen durch die großzügige Tiefgarage unterhalb der Klinik lenkte. An der hinteren Ausfahrt, die nur für Personal bestimmt war, drückte sie auf die Klingel, hielt ihren Ausweis vor die Kamera und wurde durchgelassen. Sie stellteihren Wagen auf dem Parkplatz ab, der für das Personal der Küchen, Wäschereien und Labors reserviert war. Obwohl es erst kurz vor sieben war, begann sich die Luft bereits zu erwärmen.
Die wenig genutzten Räume der Gerichtsmedizin lagen im hintersten Teil des Gebäudekomplexes, überraschenderweise nicht im Keller. Die Fenster waren aber spiegelverglast, sodass niemand einen Blick hineinwerfen konnte. Von den nach Osten gelegenen Räumen überblickte man jedoch einen grünen Zipfel des großzügigen Parks, der zu den Echtermann-Kliniken gehörte.
Jennifer hatte die Eingangstür noch nicht erreicht, als ihr Handy klingelte. Sie musste nicht einmal einen Blick auf das Display werfen, denn diesen speziellen Klingelton hatte sie nur einer einzigen Nummer zugeordnet. Mit einem Seufzen zog sie das Telefon aus der hinteren Tasche ihrer Jeans.
Ihre Mutter hatte in den letzten drei Tagen wiederholt versucht, sie zu erreichen, und ihr mehrere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter und der Mailbox hinterlassen. Jennifer hatte noch immer nicht zurückgerufen, und die Versuchung, auch dieses Gespräch mit einem Knopfdruck umzuleiten, war groß.
Ihr schlechtes Gewissen siegte jedoch. »Hallo, Ma.«
»Jetzt muss ich dich schon morgens in aller Herrgottsfrühe anrufen, um dich endlich mal zu erreichen!«, empörte sich Annabelle Leitner. »Auf meine Anrufe zu reagieren, kommt dir ja offenbar nicht in den Sinn.«
Jennifer stieß ein hörbares Stöhnen aus. »Ich habe viel zu tun, Mama, das weißt du doch.«
»Wir alle haben immer viel zu tun, trotzdem kann man sich wenigstens ab und an bei seinen Eltern melden!« Ihre Mutter klang wütend und verzweifelt zugleich. »Du hast ja überhaupt keine Ahnung, was dein Vater und ich im Moment durchmachen!«
Der Empfangsbereich der Gerichtsmedizin war wie immer unbesetzt, und Jennifer ging den hell gestrichenen Korridor hinunter, der in Leander Meurers Heiligtum führte. Obwohl man sich in der ganzen Klinik mit Farben, Bildern und Einrichtung besondere Mühe gegeben hatte, gelang es nicht, den typischen Krankenhausgeruch zu vertreiben.
»Doch, allerdings«, erwiderte Jennifer. »Du hast mir genügend Nachrichten hinterlassen.« Die sie allerdings nicht immer bis zu Ende angehört hatte. Nicht nur, weil sich ihre Mutter gerne wiederholte, sondern weil sie einfach keinen Nerv gehabt hatte, sich die ewigen Monologe über die Probleme mit ihrem jüngsten Bruder anzuhören.
»Und was gedenkst du zu tun?«, fragte
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