Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Schritt tat.
Sie wollte dem Staatsanwalt gerade bedeuten, sie sollten noch eine kurze Runde drehen, als Gerhard Reisig in der Tür erschien, die hinter dem Verkaufstresen ins Lager und ins Büro führte. Grohmann neben ihr spannte sich unwillkürlich an. Auch er hatte ihn gesehen.
Jennifer nahm sich einige Sekunden, um den Mann zu mustern.
Er war groß und schlaksig, trug jedoch einen nicht zu verachtenden Bauch vor sich her, der bei einer Frau als sicheres Zeichen für eine Schwangerschaft gegolten hätte. Sein Gesicht war hager und eingefallen. Tränensäcke hatten sich unter seinen Augen gebildet. Er sah trotz seiner erst fünfundfünfzig Jahre alt und irgendwie gebrechlich aus.
Jennifer warf Grohmann einen Blick zu. »Sie warten draußen.«
Sein Gesicht verzog sich, doch sie kam ihm zuvor. »Keine Diskussion.«
Er verstummte, bevor er überhaupt die Gelegenheit gehabt hatte, etwas zu sagen.
Jennifer schlenderte auf die andere Seite und musste dabei um einige Kunden herum manövrieren, die, mit Einkaufstüten bepackt, blind ihrem nächsten Ziel entgegenrannten. Sie warf einen oberflächlichen Blick in die Auslage des Mobilfunkgeschäftes, bevor sie das Un zeste de parfum durch die relativ schmale Einkaufstür betrat.
Ihr schlug sofort eine intensive Geruchsmischung aus Blumen, Früchten und Kräutern entgegen. Selbst ein Blinder hätte erkennen können, womit hier gehandelt wurde. Für sich genommen mochten die Düfte angenehm sein, doch das geballte Gemisch überforderte Jennifers Geruchsnerven.
Sie waren ohnehin noch vollkommen überreizt von dem Geruchstest, den sie und Grohmann vor Öffnung des Einkaufszentrums in einer Parfümerie in Hanau durchgeführt hatten.
Es hatte Jennifer überrascht, wie genau Grohmanns auf Informationen aus dem Internet basierende Analyse gewesen war. Denn die Düfte der unterschiedlichen Produkte, die die Opfer benutzt hatten, waren sich so ähnlich, dass Jennifer nach zehn Minuten nicht mehr in der Lage gewesen war, die einzelnen Proben voneinander zu unterscheiden.
Möglicherweise hatten erst ihre Lieblingsdüfte die Frauen zu möglichen Opfern des Mörders gemacht. Doch wie wahrscheinlich ein derartiges Auswahlkriterium war, würde sie erst am Montag mit dem psychologischen Experten klären können. Informationen aus dem Internet und ihrer eigenen Logik wollte sie diesbezüglich lieber nicht trauen.
Die Angestellte drehte nur kurz den Kopf und lächelte sie an. Gerhard Reisig nahm keinerlei Notiz von ihr, während er hinter der Verkaufstheke in einem Katalog blätterte.
Jennifer ließ den Blick über die Regalreihen schweifen. Das Geschäft war gepflegt und ordentlich eingerichtet, doch es gab genügend Stellen, an denen das geübte Auge erkennen konnte, dass eine Renovierung überfällig war. Da half auch die üppige Dekoration nichts, die den Blick des Kunden von dem abblätternden Putz ablenken sollte.
Jennifer blieb einfach stehen und wartete.
Die Angestellte bemerkte schließlich, dass sich die potenzielle Kundin nicht umsah. Sie legte ihren Staubwedel beiseite, strich ihre Bluse glatt und schenkte ihr ein aufgesetztes Lächeln, für das sie einen Oscar verdient gehabt hätte. »Kann ich Ihnen helfen?«
Jennifer ging auf den Verkaufstresen zu und bedachte die Angestellte nur mit einem Seitenblick. »Eigentlich bin ich hier, um mit Ihrem Chef zu sprechen.«
Endlich hob Reisig den Blick. Seine dunklen Augen musterten sie von Kopf bis Fuß und sahen dabei alles andere als freundlich aus. »Ja?«, schnappte er.
Unwillkürlich fragte sie sich, ob und wenn ja, wie diese beiden überhaupt jemals etwas verkauften.
»Gerhard Reisig?«, fragte sie.
Seine Mundwinkel senkten sich, und in seine Augen trat ein beinahe feindlicher Ausdruck. Er erwartete offenbar Ärger. »Wer will das wissen?«
Jennifer zog ihren Ausweis hervor und hielt ihn ihm entgegen. »Kriminaloberkommissarin Jennifer Leitner. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Reisig kniff die Augen zusammen und beugte sich vor, offenbar versuchte er, die Schrift auf ihrem Ausweis zu entziffern. Mit einem theatralischen Seufzer schlurfte er um den Tresen herum und fummelte eine Lesebrille aus der Tasche seiner Cordhose.
Als er sich vorbeugte, sah Jennifer, wie sein Blick kurz die Tür in ihrem Rücken streifte. Unwillkürlich versteifte sie sich, doch er entwickelte in diesem Moment eine Schnelligkeit, die sie ihm niemals zugetraut hätte. Dasselbe galt für seine Kraft.
Er sprang vorwärts, stieß
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