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Todeszeit

Todeszeit

Titel: Todeszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Schubkarren auf und schob ihn beiseite. Bei jedem Atemzug sog er den Geruch von Motoröl und frischem Gras ein, und als er sich neben den Liegenden kniete, kamen die stechende Bitterkeit von verbranntem Schießpulver und die Süße von Blut hinzu.

    Er drehte den Körper um und sah zum ersten Mal deutlich das Gesicht des Fremden. Der war etwa Mitte zwanzig, hatte jedoch noch die glatte Haut eines vorpubertären Jungen, dazu jadegrüne Augen mit dicken Wimpern. Er sah überhaupt nicht wie ein Mann aus, der sich völlig gefühllos darüber auslassen konnte, wie eine Frau von ihm verstümmelt und umgebracht werden sollte.
    Offenbar war er mit der Kehle genau auf der Metallkante des Schubkarrens aufgekommen. Dabei mussten sein Kehlkopf zermalmt und die Luftröhre zerquetscht worden sein.
    Der rechte Unterarm war gebrochen, wobei die dazugehörige Hand reflexartig die Pistole abgefeuert hatte. Der Zeigefinger krümmte sich noch um den Abzug.
    Das Geschoss war gleich unterhalb des Brustbeins eingetreten und musste sich von da aus schräg nach oben bewegt haben. Da kaum Blut ausgetreten war, handelte es sich offenbar um einen glatten Schuss durchs Herz.
    Falls dieser Schuss ihn nicht sofort getötet hatte, dann hatte das die zertrümmerte Luftröhre besorgt.
    Eigentlich war das zu viel des Zufalls, um einfach nur Zufall zu sein.
    Egal, was es war – Zufall, etwas Besseres oder etwas Schlimmeres: Mitch war sich zuerst nicht sicher, ob es sich um eine hilfreiche oder eine unwillkommene Entwicklung handelte.
    Die Zahl seiner Feinde war um einen verringert worden. Ein fiebriges, vom bitteren Beigeschmack der Rache durchsetztes Glücksgefühl stieg flatternd in ihm auf und hätte ihm vielleicht ein raues, fadenscheiniges Lachen entlockt, wäre es ihm nicht sogleich bewusst geworden, dass dieser Tod seine Lage verkomplizierte.
    Wenn dieser Mann sich nicht bei seinen Komplizen meldete,
dann riefen die ihn auf seinem Mobiltelefon an, und wenn er nicht antwortete, dann kamen sie, um ihn zu suchen. Fanden sie ihn tot vor, nahmen sie sicherlich an, dass Mitch ihn umgebracht hatte, und dann dauerte es nicht lange, bis man Holly einen Finger nach dem anderen abschnitt und dabei die Stümpfe ausbrannte. Ein Betäubungsmittel würde man ganz bestimmt nicht anwenden.
    Mitch hastete zum Honda und schaltete den Motor ab. Dann griff er zur Fernbedienung, um das Garagentor zu schließen.
    Sobald es dunkler wurde, knipste er das Deckenlicht an.
    Vielleicht hatte niemand den einzelnen Schuss gehört. War er doch gehört worden, dann hatte man ihn wohl kaum als das erkannt, was er war.
    Zu dieser Stunde waren die Nachbarn noch nicht von der Arbeit heimgekommen. Einige Schulkinder befanden sich bereits zu Hause, aber die hatten die Stereoanlage aufgedreht oder waren tief in ihrer Spielkonsolenwelt versunken. Einen gedämpften Schuss hatten sie sicherlich als Teil des sie einhüllenden Geräuschteppichs wahrgenommen.
    Mitch ging zu der Leiche zurück. Er blieb davor stehen und blickte auf sie hinab.
    Einen Moment lang war er nicht in der Lage, sich zu rühren. Er wusste, was getan werden musste, konnte aber schlichtweg nicht handeln.
    Fast achtundzwanzig Jahre hatte er gelebt, ohne mit dem Tod konfrontiert zu sein. Nun hatte er an einem einzigen Tag erlebt, wie zwei Männer erschossen wurden.
    Gedanken an seinen eigenen Tod drangen auf ihn ein, und als er versuchte, sie zu unterdrücken, ließen sie sich nicht einsperren. Das Rauschen in seinen Ohren stammte
nur von dem Blut, das von seinem heftig schlagenden Herzen durch die Adern getrieben wurde, doch in seiner Fantasie sah er am Rand seines Bewusstseins dunkle Flügel schlagen.
    Obwohl er sich davor scheute, die Leiche zu untersuchen, zwang er sich dazu, sich wieder neben sie auf den Boden zu knien.
    Aus einer Hand, die so warm war, als wäre ihr Besitzer nur scheintot gewesen, löste Mitch die Pistole. Er legte sie in den Schubkarren.
    Wäre das rechte Hosenbein des Toten bei dessen Sturz nicht hochgerutscht, so hätte Mitch die zweite Waffe zweifelsohne nicht gesehen. Der kurzläufige Revolver steckte in einem Knöchelholster.
    Nachdem er den Revolver zu der Pistole gelegt hatte, betrachtete Mitch das Holster. Er löste dessen Klettverschluss und legte es zu den Waffen.
    Anschließend wühlte er in den Taschen des Sportsakkos und kehrte die Hosentaschen nach außen.
    Zum Vorschein kam ein Bund Schlüssel – einer für ein Auto, drei andere –, den er in der Hand wog, dann aber doch in die

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