Todeszeit
Geländers ein und trug sie aus der Garage. Draußen versteckte er sie in einem Stapel Brennholz, mit dem sie im Winter den offenen Kamin im Wohnzimmer heizten.
In die Garage zurückgekehrt, stieg er zum Dachboden hinauf, um die schicksalhafte Stelle am Ende des Gangs zu inspizieren. Was den Sturz seines Gegners verursacht hatte, wurde ihm bald klar.
Manche der aufgestapelten Schachteln waren mit Klebeband verschlossen, andere hingegen mit Bindfaden verschnürt. Der stumpfe Teil des Radschlüssels war noch immer in der Schlaufe eines Knotens verfangen.
Offenbar hatte der Kidnapper den Radschlüssel ein wenig vom Körper weggehalten und sich damit in der herabhängenden Schlaufe verfangen. Dadurch hatte er die Lawine ausgelöst.
Mitch stapelte die meisten Schachteln wieder genauso auf wie vorher. Mit dem Rest baute er eine neue, niedrigere Reihe vor der Bresche im Geländer, um sie zu verbergen.
Falls die Komplizen des Toten kämen, um nach ihm zu suchen, würden sie beim Anblick der gesplitterten Pfosten und der fehlenden Querstange sicherlich annehmen, dass ein Kampf stattgefunden hatte.
Von der Südostecke im Erdgeschoss aus war die verräterische Lücke weiterhin sichtbar. Glücklicherweise befand sich die Treppe in der gegenüberliegenden Ecke, weshalb der Suchtrupp vielleicht nie an die betreffende Stelle gelangte.
Am liebsten hätte Mitch seine Wut an dem elektronischen Kram ausgelassen, mit dem man ihn ausspionierte. Aus gutem Grund verzichtete er jedoch darauf.
Als er den langen Radschlüssel aufhob, fühlte der sich schwerer an als vorher.
Obwohl es völlig still war, hatte er den Eindruck, beobachtet zu werden. Es war, als würde jemand ihn verspotten.
In den Ecken hockten bestimmt eine Menge Spinnen in ihren Netzen und träumten geduldig von lecker zuckenden Happen. Nicht unwahrscheinlich, dass gerade eine oder zwei fette Fliegen summend auf die seidenen Fallen zuflogen.
Was ihn da beobachtete, war jedoch keine Fliege und auch keine Spinne. Mitch drehte sich um, aber allem Anschein nach war er allein.
Eine bedeutsame Wahrheit verbarg sich vor ihm, nicht im Schatten oder hinter den Schachteln mit Feiertagsschmuck, sondern direkt in seinem Blick. Er konnte sehen und war doch blind. Er konnte hören und war taub.
Diese merkwürdige Wahrnehmung wurde immer stärker. Sie schwoll an, bis sie ihn fast erdrückte, bis sie eine derart physische Dimension bekam, dass sich seine Lunge nicht mehr ausdehnte. Dann ließ sie unvermittelt nach und war nach kurzer Zeit verschwunden.
Mitch trug den Radschlüssel nach unten und hängte ihn an die Wand, wo er hingehörte.
Aus dem Schubkarren nahm er das Telefon, die Geldbörse, die Schlüssel, die beiden Waffen und das Knöchelholster. Er legte alles auf den Beifahrersitz von Hollys Wagen.
Dann fuhr er aus der Garage, stoppte neben dem Haus und ging rasch hinein, um sich eine leichte Sportjacke zu holen. Er trug zwar ein dickes Flanellhemd, und die Nacht würde wahrscheinlich nicht so kalt werden, dass eine Jacke nötig war, aber er brauchte trotzdem eine.
Als er aus dem Haus trat, hätte es ihn nicht gewundert, wenn Taggart neben dem Honda auf ihn gewartet hätte. Der Lieutenant war jedoch nirgendwo zu sehen.
Wieder im Wagen sitzend, drapierte er die Jacke so auf dem Beifahrersitz, dass das Sammelsurium aus dem Besitz des Toten darunter verschwand.
Die Leuchtziffern am Armaturenbrett stimmten mit seiner Armbanduhr überein: elf Minuten nach fünf.
Er lenkte den Wagen auf die Straße und bog nach rechts ab. Im Kofferraum lag ein dreimal toter Mann, aber was in seiner Fantasie vor sich hin tobte, war noch wesentlich schlimmer.
16
Zwei Querstraßen weiter fuhr Mitch an den Straßenrand. Er ließ den Motor laufen, die Fenster geschlossen und die Türen zugesperrt.
Soweit er sich erinnern konnte, hatte er bisher noch nie die Türen verriegelt, während er im Wagen saß.
Hektisch warf er einen Blick in den Rückspiegel, weil er plötzlich sicher zu sein glaubte, das Kofferraumschloss sei nicht richtig eingerastet. War der Deckel aufgeklappt und gab die eingewickelte Leiche preis? Fehlalarm. Natürlich war der Deckel zu.
Im Portemonnaie des Toten steckten mehrere Kreditkarten und ein in Kalifornien auf den Namen John Knox ausgestellter Führerschein. Für das Passbild hatte der junge Verbrecher ein breites Lächeln aufgesetzt, das so gewinnend wirkte wie das eines Boygroup-Mitglieds.
Knox hatte fünfhundertfünfundachtzig Dollar dabeigehabt, darunter
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