Todfeinde
Töchter im Internet, um etwas für ihre Hausaufgaben nachzusehen. Er sprach aufs Band, dass es ihm so weit gut gehe und er am nächsten Tag wieder anrufen würde.
17. KAPITEL
Mary Seels hatte sich gerade mit einem Becher Kaffee an den Empfangstresen gesetzt, als Joe am Montagmorgen ins Büro kam.
»Übers Wochenende gab’s ein paar Nachrichten für Sie.« Sie reichte ihm fünf rosa Zettel, die er flüchtig überflog. Don Ennis, Pete Illoway, Marybeth, Don Ennis, Don Ennis.
»Wer ist Pete Illoway?«
»Sie haben noch nie von ihm gehört?«
»Nein.«
»Manche nennen ihn den Guru der Gutfleischbewegung«, sagte Mary ungerührt. »Er ist eine Art Ernährungsberater.«
» Ernährungsberater? «
Mary seufzte. »Wir haben hier auch Haustierpsychologen. Da dürfte ein Ernährungsberater nicht allzu sehr überraschen.«
»Wahrscheinlich nicht«, räumte Joe ein. »Ich hab Sie nach dem Trauergottesdienst gar nicht mehr gesehen.«
Mary wollte schon antworten, überlegte es sich aber anders und sah ihn nur an.
»Tut mir leid … «
Sie winkte ab. »Ich hätte hingehen sollen. Ich hatte mir schon freigeben lassen, hab es dann aber einfach nicht fertiggebracht.«
Joe konnte ihr nicht ganz folgen und hatte das Gefühl, sie wollte mehr dazu sagen.
Ehe sie fortfuhr, musterte Mary den Empfangsbereich und die Treppe, um sicher zu sein, dass sich niemand sonst in der Nähe aufhielt. »Vermutlich möchte ich Will so in Erinnerung behalten, wie er mal war.«
»Und nicht als den, zu dem er sich im letzten halben Jahr entwickelt hat? Susan hat mir davon erzählt.«
Mary senkte die Stimme. »Will Jensen war ein ungemein anständiger Mensch. Es war toll, für ihn zu arbeiten, und ich habe viel von ihm gehalten. Aber es war mir zuwider, ihn decken zu müssen, wenn er nicht zum Dienst erschien oder Sitzungen verpasste oder nicht auf Anrufe reagierte. Am Ende schien er ein ganz anderer Mensch geworden zu sein, einer, den ich nicht mochte.« Sie vergewisserte sich erneut, dass sie allein waren, und wandte sich dann wieder an Joe. »Das hätte ich nicht sagen sollen. Ganz und gar nicht.«
»Schon in Ordnung.«
»Sie erinnern mich an Will, an den Will von früher.«
Joe errötete. »Ich nehme das mal als Kompliment.«
»Das ist es auch.«
»Es mag seltsam klingen, aber hat Will je erwähnt, dass sich jemand unbefugt auf seinem Grundstück herumgetrieben hat?«
»Warum?«, gab Mary zweifelnd zurück.
Er berichtete ihr, mitten in der Nacht aufgewacht zu sein und im Gras Fußspuren entdeckt zu haben.
»In den letzten Monaten hat Will vieles gesagt – meist in einem überaus mürrischen Tonfall«, erwiderte sie. »Er meinte, er könne nicht schlafen, und sofern er mal im Büro auftauchte, wirkte er völlig durch den Wind. Einmal behauptete er, ständig wach zu liegen, weil jemand an die Wand pocht, glaubte aber, das seien Jugendliche oder jemand, den er festgenommen hatte und der ihn nun drangsaliere.«
»Mary, Sie haben offenbar viel darüber nachgedacht, was vorgefallen ist. Wenn Sie sagen sollten, wer oder was ihn um den Verstand gebracht hat, was würden Sie antworten?«
Ihre Augen blitzten. »Ich glaube, ich habe bereits zu viel gesagt.«
»Aber Sie haben eine Theorie?«
Sie schüttelte verärgert den Kopf, als würde sie sich vehement jeder weiteren Unterhaltung verweigern, setzte sich an ihren Schreibtisch und erklärte: »Ich habe zu arbeiten.«
Als Joe die Treppe hochging, sah er Mary unten am Empfang wütend ihre Sachen zurechtrücken.
Du weißt etwas und verschweigst es mir, dachte er.
Kaum saß Joe im Büro, sah er auf die Uhr und meldete sich zu Hause. Marybeth war beim zweiten Läuten am Apparat.
»Endlich«, sagte er.
»Von wegen«, erwiderte sie angespannt. »Die Schule hat eben angerufen. Der Busfahrer ist nicht zur Arbeit gekommen, und ich muss die Mädchen zum Unterricht bringen. Danach geht’s zu Barretts Apotheke, um einem Steuerprüfer Rede und Antwort zu stehen, der unangemeldet aufgetaucht ist.«
»Es war schwierig«, begann er und wollte vom Begräbnis, der Urne und dem seltsamen Gefühl in seinem Kopf berichten, das jetzt endlich wich; und von dem Mann am Fenster mitten in der Nacht. Und er wollte Genaueres über Sheridans Augenverletzung und den schweigenden Anrufer mit der 720er-Vorwahl erfahren.
»Kannst du nicht am Abend anrufen? Die Mädchen würden so gern mit dir sprechen.«
»Gut. Und du?«
»Ach, Joe, natürlich möchte ich mit dir sprechen – sofern du nüchtern bist und die
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