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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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fragte Ennis rundheraus. »Ich hab mich an ganz oben gewandt und möchte das Problem am liebsten bis gestern aus der Welt geschafft haben!«
    Mit »ganz oben« meinte er bestimmt den Gouverneur.
    »Der Vizepräsident unseres Landes nimmt in zwei Wochen an einem Empfang in meinem Haus teil und erwägt, nach seiner Amtszeit ein Anwesen in Beargrass errichten zu lassen. Soll ich ihm sagen, dass das nicht geht, weil der hiesige Jagdaufseher die nötige Unterschrift verweigert?«
    Oha, dachte Joe, so hoch oben! »Und was erwarten Sie von mir?«
    »Ich möchte wissen, wie rasch Sie herkommen können. Dann rufe ich meine Fachleute zusammen. Die beantworten jede Frage und zeigen Ihnen, wie wir uns der Sache mit den Bären und Elchen annehmen wollen. Wir demonstrieren Ihnen, wie wir die erste Gutfleischsiedlung in diesem Land errichten. Ich bin mir sicher, Sie werden schwer beeindruckt sein und dem Projekt Ihren Segen geben, sodass wir endlich loslegen können.«
    »Sagten Sie Gutfleischsiedlung?«
    »Ganz genau.«
    Joe dachte an das, was Trey ihm über die Methoden der Gutfleischbewegung erzählt hatte, und wie sehr Pi Stevenson sie verurteilt hatte.
    »Und?«, fragte Ennis.
    »Was und?«
    »Wann können Sie hier sein, damit wir Ihnen alles zeigen?«
    Joe überdachte rasch seine Pläne. Eigentlich hatte er vorgehabt, ins unwegsame Gelände aufzubrechen, um möglichst bald die Lager der Jagdführer zu inspizieren. Außerdem wollte er den Rechtsmediziner aufsuchen, der nach Will Jensens Selbstmord am Tatort gewesen war. Wegen der Dringlichkeit von Don Ennis’ Bitte wollte Joe sich dessen Anliegen aber möglichst schnell widmen. Trotz seines Auftretens hatte Joe den Eindruck, dass die Klagen des Bauunternehmers durchaus legitim waren.
    »Wie wäre es mit heute Nachmittag?«
    »Klasse«, rief Ennis, »endlich mal jemand, mit dem sich arbeiten lässt.«
    Das wird sich zeigen, dachte Joe.

18. KAPITEL
    Um sich mit Don Ennis und den übrigen Kapitalgebern des Beargrass Village zu treffen, benutzte Joe die Landkarte der vierfarbigen Hochglanzbroschüre »Die erste nachhaltige Gutfleischsiedlung der Welt«, die er in der Akte entdeckt hatte. Er fuhr auf der Landstraße in Richtung Teton-Pass und kam an alten Heustadeln, die nur der malerischen Wirkung wegen auf geschützten Wiesen standen, und bewachten Wohnanlagen mit Dutzenden millionenschwerer Anwesen vorbei, die fast gänzlich verborgen im Wald lagen und von den Einheimischen »Neureichenschlösser« genannt wurden. Er dachte darüber nach, was er in der von Will Jensen zusammengestellten Akte gelesen hatte.
    Die Idee des Beargrass Village war mit einem komplexen Gebietsaustausch zwischen Ennis und seinen Partnern sowie der Bundesforstverwaltung lanciert worden: Dreißig Quadratkilometer grenznaher Wald in Idaho gegen dreißig Quadratkilometer Wald im Landkreis Jackson Hole. Die Akte enthielt Schaubilder und Bebauungspläne sowie Unterstützungsschreiben von verschiedenen US -Behörden, unter anderem vom Amt für Naturschutz und der Bundesforstverwaltung. Aus den Schreiben ging hervor, welch enormen politischen Einfluss Ennis hinter sich versammelt hatte. Joe las die Stellungnahmen von Mitarbeitern seiner eigenen Behörde – von Biologen, Fischereifachleuten und Experten des behördenübergreifenden Grizzly-Programms – und stellte fest, dass sie zwar auf mögliche Probleme mit dem Beargrass Village hinwiesen, aber keine eindeutigen Vorbehalte dagegen äußerten. Nur der Grizzly-Fachmann räumte schwere Bedenken ein, doch sein Brief war derart verklausuliert formuliert, dass sein Verfasser – egal, wie die Sache ausging – nicht zu belangen wäre. Am Rand dieses Beitrags hatte Will notiert: »Das ist ein echtes Problem.«
    Joe erkannte, worauf all das hinauslief: Die endgültige Zustimmung zu diesem Vorhaben seitens der Wildbestandspflege hing – wie von Ennis am Telefon berichtet – vom Votum des zuständigen Jagdaufsehers ab. Warum auch immer: Will hatte seine abschließende schriftliche Beurteilung zurückgehalten und so das Genehmigungsverfahren behindert. Und nun lag der Schwarze Peter bei Joe.
    Kein Wunder, dass Will zu viel getrunken hat, dachte er und lächelte bitter.
    Der Bau, von dem aus die Errichtung von Beargrass Village koordiniert werden sollte, war ein aus nicht entrindeten Stämmen und regionalem Stein errichteter Bungalow. Er war so natürlich in einen bewaldeten Hang integriert, dass man ihn leicht übersehen konnte, wenn man nicht von seiner Existenz

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