Todfeinde
wusste, und das wäre Joe beinahe passiert. Zum Glück sah er die Frontscheibe eines schwarzen Geländewagens auf einem Parkplatz im Wald aufschimmern und bog mit dem Pick-up dorthin ab. Drei weitere brandneue Geländewagen standen dort versammelt. Als Don Ennis winkend aus einer automatisch aufgleitenden Glastür trat, wusste Joe, dass er am richtigen Ort war.
»Willkommen in Beargrass«, tönte Ennis. Joe winkte zurück.
Er klemmte die Akte unter den Arm, betrat das Gebäude und hörte, wie sich in seinem Rücken die Tür wieder schloss. Vor ihm saßen einige Männer an einem riesigen Tisch. Eine PowerPoint-Präsentation war vorbereitet, und der Ventilator summte leise. In allen Winkeln des Zimmers standen Flipcharts, und ein großformatiges Panoramabild der geplanten Anlage hing an der Wand.
»Seltsam«, sagte Joe, musterte das Zimmer und sah den Männern am Tisch in die Augen, »aber in Wyoming gibt es gar kein Bärengras. In Montana schon, oben im Nordwesten. Aber vermutlich hat Ihnen der Name gefallen.«
Ennis blinzelte unbehaglich, dann funkelte er Joe an.
»Das ist belanglos.« Sein Tonfall machte deutlich, dass er dieses Thema nicht vertiefen wollte.
»Schon möglich«, pflichtete Joe ihm bei.
Die drei am Tisch erhoben sich, um ihm die Hand zu geben und sich vorzustellen. Jim Johnson war der eigentliche Bauunternehmer, ein bärenhafter Mann mit Vollbart, breitem Oberkörper und schwieligen Händen. Shane Suhn war jünger, elegant gekleidet und durchtrainiert und stellte sich als Ennis’ Stabschef vor.
»Stabschef?«, fragte Joe.
Suhns Miene versteinerte sich. »Dann eben Privatsekretär.«
»Pete Illoway«, sagte der dritte Mann mit klangvoller Stimme. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Von Ihnen habe ich schon gehört.« Diese Bemerkung ließ Illoway selbstzufrieden lächeln. Er hatte die sonnengebräunten, kantigen Züge eines Filmstars und längeres, blondes Haar, das sich über den Kragen seines langärmligen T-Shirts lockte, und strahlte Gesundheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden aus. Er hatte die Ausstrahlung eines Menschen, der es gewohnt war, begafft und bewundert zu werden.
»Sie kennen also die Gutfleischbewegung bereits«, erwiderte er. »Das ist ein guter Einstieg.«
»Ich weiß ein bisschen darüber, aber nicht viel.«
»Setzen Sie sich, meine Herren.« Ennis stürmte auf die für ihn typische Art mit gesenktem Kopf auf den Tisch zu. »Zeigen wir Mr. Pickett unser Vorhaben. Und danach essen wir zu Abend.«
Shane Suhn dimmte die Lampen herunter und gab ihm die Fernbedienung für den Projektor. Ennis wartete, bis Joe sich gesetzt hatte, stellte sich dann direkt hinter ihn und warf das erste Bild an die Wand. Er stand so nah bei Joe, dass dieser sein Parfüm riechen und seine Körperwärme spüren konnte.
Die Vorführung dauerte zwanzig Minuten und war von beeindruckender Professionalität. Das Logo des Beargrass Village und die stilisierten Buchstaben vor lohfarbenem Bärengras erschienen auf allen Dias unten links und brannten sich ins Unterbewusstsein.
Der Entwurf sah hundertzwanzig Anwesen vor, umgeben von jeweils vierzig- bis achtzigtausend Quadratmetern Land. Die Bauten sollten in konzentrischen Kreisen angeordnet sein, aus regionalen Baustoffen errichtet werden und dem Gebäude ähneln, in dem sie sich gerade befanden. Nichts würde darauf hindeuten, dass es sich um Neubauten in wiederaufgeforstetem und von Landschaftsgärtnern gestaltetem Gelände handelte; es würde aussehen, als seien sie wie von selbst und ohne menschliches Zutun aus dem Boden gewachsen. Von keinem Haus aus wäre ein anderes zu sehen. Abgesehen vom privaten Grundbesitz sollte das ganze Areal frei zugänglich sein.
»Die Gemeinflächen werden in ihrem natürlichen Zustand belassen«, Ennis klickte durch Fotos von Bären, Rotwild, Elchen und Raufußhühnern, »und für alle zugänglich sein. Die Bewohner von Beargrass können dort wandern, zelten und jagen, wenn sie wollen.«
Joe merkte auf.
»Keine Sorge«, fuhr Ennis ungeduldig fort, als hätte er diese Reaktion vorhergesehen, »alles wird streng nach Vorschrift gehandhabt, mit Jagdgenehmigungen und dem ganzen Kram. Aber jetzt kommt der Clou.« Er klickte rasch durch Zeichnungen von Scheunen, Koppeln und einer Wiese, deren giftiges Grün Joes Augen schmerzen ließ.
»Hier wird das Vieh geboren, aufgezogen und schließlich geschlachtet. Jeder Bewohner verpflichtet sich, eine gewisse Zahl Schweine, Hühner, Ziegen, Schafe und Rinder abzunehmen, um
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