Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
neige dazu, Frau Nüßing zuzustimmen.
Immerhin war es Matthias Schulze Nüßing, der uns während des Feuers anrief und
um Hilfe bat.«
»Ich frage mich,
warum er nicht meine Leute angesprochen hat.«
Cornelia
antwortete rasch: »Ihre Leute sollten den Hof retten, wir waren verfügbar.«
Delbrock massierte
seine Waden und schien zu überlegen.
»Es ist so: Bei
der Art und Weise, wie die Brandstiftung vorgenommen wurde, muss ein
Ortskundiger unter den Tätern gewesen sein. Man musste die Gegebenheiten schon
genau kennen, ein bloßer Spaziergang zum Ausspähen über den Hof genügte da
nicht.«
Cornelia
schüttelte so heftig den Kopf, dass ich den Blick abwenden musste. Mein eigener
Schädel schien bald zu platzen. »Ausgeschlossen, dass es Matthias oder seine
Eltern waren«, sagte sie. »Eher würden die sich selbst im Wassergraben
versenken, als ihren Hof zu riskieren.«
Mein Blick ging
wieder durch die Scheibe, hinüber zu den Gebäuden und dem Haupthaus. Ich dachte
an Julia, die komplizierte Ehefrau von Matthias.
Als hätte der
Kommissar meine Gedanken erraten, sagte er: »Die junge Frau Schulze Nüßing ist
heute Abend unterwegs gewesen. Eine Verabredung in Münster, heißt es.«
Cornelia wurde
hellhörig. »Eine Verabredung? Und sie ist um diese Zeit noch nicht zu Hause?
Die geht doch sonst eher ins Bett als eine Zehnjährige.«
Delbrock verbiss
sich ein Grinsen, doch er erklärte: »Sie schläft heute bei einer Freundin. Und
sie hat ein Alibi.«
»Wäre das hier
eine mittelmäßige Vorabendserie, dann hätte man die Nebenrolle der Femme fatale
hervorragend mit einem Typ Frau wie Julia besetzt.« Cornelia widmete sich ihrem
Tee, als wäre es ein Cognac.
Hauptkommissar
Delbrock starrte sie verblüfft an. Seine nächsten Fragen bezogen sich auf
unsere Erlebnisse in der Scheune. Ich merkte, dass mich das Reden zunehmend
anstrengte. Meine und auch Cornelias Stimme klangen wie Reibeisen, und wenn ich
die bösen Blicke des Sanitäters richtig deutete, dann hätten wir eigentlich gar
nicht reden dürfen.
Am Ende unseres
Berichts stöhnte Delbrock schmerzhaft auf: »Hoffentlich geht er pfleglich mit
diesem Bild um. Ein unbekannter und ganz früher Van Gogh. Das ist Wahnsinn! Das
ist …«
»Wahnsinnig viel
Geld«, krächzte ich dazwischen.
»Hätten wir nur
eher die Genehmigung zur Ausgrabung bekommen. Verdammt! Dieses Aufwärmen von
alten Geschichten, da kommt doch nichts Gutes bei heraus.« Delbrock fuhr sich
durch die Haare, mit einem beeindruckenden Effekt: Sie standen teilweise vom
Kopf ab, was ihn wie einen Uhu aussehen ließ.
Cornelia schien
mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein, sie starrte blicklos aus dem Fenster.
Vielleicht schlief sie auch mit offenen Augen. Aber dann sagte sie: »Ingo hat
in der Nacht damals seinen Vater Horst umgebracht. Genauer gesagt, Pavlo hat es
in seinem Auftrag getan. Aber was wollte Thomas Hovermann dort? Er konnte doch
eigentlich nichts von dem Bild wissen.«
Ich bemühte meine
Stimme noch einmal. Und meinen schmerzenden Kopf. »Vielleicht hatte Ingo sich
mit Thomas zusammengetan. Dann haben sich die Männer gestritten, und Pavlo hat
einmal mehr zugeschlagen.«
Cornelia zeigte
klare Skepsis, und auch den Kommissar schien meine Version nicht zu überzeugen.
Cornelia
erwiderte: »Ich glaube eher, dass Horst Hovermann sich mit Thomas verabredet
hat und Sohn Ingo ihnen beiden zum Verhängnis wurde. Horst könnte sehr wohl von
dem Van-Gogh-Bild erfahren haben, und er wusste auch, dass sich sein Sohn immer
schon mit der Familiengeschichte beschäftigt hat. Nach dem Erscheinen des
Buches hat er dann zwei und zwei zusammengezählt und wollte Ingo zuvorkommen.
Thomas Hovermann war der ideale Partner für Horst, er kannte die Gegend gut.
Sie haben sich nur die falsche Nacht und natürlich die falsche Stelle ausgesucht.«
Jetzt nickte
Delbrock langsam und sagte: »Dazu passt immerhin die Tatsache, dass wir in
Thomas’ Adressbuch die Nummer von Horst Hovermann gefunden haben, die
Handynummer sogar dick eingerahmt.«
Ich betrachtete
Cornelia, und erst jetzt fielen mir ihre stark geröteten Wangen auf, die
sicherlich eine Folge der heißen Luft in der Scheune waren. Sie bemerkte meinen
Blick und lächelte ungewöhnlich schüchtern zurück, bevor sie weitersprach: »Ich
frage mich die ganze Zeit, ob Ingo seinen Vater aus einem extremem Hass heraus
umgebracht hat oder ob er zu den Menschen gehört, die zu keiner emotionalen
Bindung fähig sind und auch nicht zu Gefühlen
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