Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
wie Mitleid oder Reue.«
Delbrock erhob
sich, sein großer, schwerer Körper schien den gesamten Wagen auszufüllen. »Wenn
wir ihn kriegen – und das werden wir früher oder später –, dann kann uns der
Gefängnispsychologe eine Antwort darauf geben. Sie lassen sich jetzt mal von
einer Krankenschwester in warme Decken hüllen und schlafen, während ich unter
anderem nach Julia Schulze Nüßing suche.« Er sah allerdings nicht so aus, als
beneidete er uns um die bevorstehende Fürsorge im Krankenhaus.
Cornelia bemerkte
trocken: »Mich würde es nicht wundern, wenn die Dame gar nicht mehr hier
auftaucht, sondern ganz auf die Sache mit dem Van-Gogh-Bild gesetzt hat.«
Ich hätte mich
darüber gern mit Matthias unterhalten. Er hatte doch seine Frau sicherlich auf
dem Handy angerufen und sie über den Brand informiert. Und wäre ich Julia
gewesen (schwer genug, sich in eine Ehefrau zu versetzen), dann wäre ich sofort
und ohne Umwege zum heimatlichen Hof geeilt, um dem Ehemann zur Hilfe zu
kommen. Also – wo war Julia?
Hauptkommissar
Delbrock zuckte schweigend die Schultern und wandte sich nun endgültig der Tür
zu. Als er die zwei Stufen hinunterging, bemerkte ich belustigt, dass er seine
Schnürsenkel aufgemacht haben musste – sie schleiften hinter seinen Schuhen her
wie Schärpen.
Unsere Diagnose
lautete Rauchvergiftung, und der Krankenwagen setzte sich nun endgültig in
Bewegung, um das nächste Krankenhaus anzusteuern. Die Fahrt dauerte etwa zehn
Minuten. Wir wurden in die Notaufnahme der Uniklinik gebracht, deren trostlose
und abweisende Bettentürme die Stadtsilhouette von Münster überragten. Im
Inneren der Klinik wurde allerdings mit den neuesten Behandlungsmethoden
geheilt und geforscht.
Nach weiteren zehn
Minuten befanden wir uns in der Obhut eines jungen Arztes und einer älteren
Krankenschwester. Der junge Arzt – sein Name lautete Keppler, wie ich dem
Namensschild entnahm – wirkte verschlafen und spähte mit müden blauen Augen
durch eine unauffällige Brille. Schwester Inge dagegen strahlte immerhin eine
muntere Mütterlichkeit aus.
Ich bat um ein
Medikament gegen Kopfschmerzen. Dr. Keppler befragte auch Cornelia nach
ähnlichen Symptomen, doch sie verneinte, klagte aber über Übelkeit. Wir hatten
beide Symptome, wie sie bei einer Rauchvergiftung nicht selten sind, und nur so
kann ich es mir erklären, dass ich niemandem etwas über den Schlag gegen meinen
Kopf und die damit verbundene Bewusstlosigkeit erzählte.
Cornelia und ich
bekamen Zimmer, die direkt nebeneinanderlagen. Nach der Einnahme eines starken
Schmerzmittels fühlte ich mich zwar benommen, konnte aber dennoch lange nicht
einschlafen.
War es der
lebensbedrohende Zwischenfall in der Scheune, den Amelie vorausgesehen hatte?
Die Zeitangabe stimmte meiner Interpretation nach nicht ganz. Allerdings war es
doch sehr unwahrscheinlich, dass mir jetzt hier im Krankenhaus noch einmal eine
tödliche Bedrohung begegnen würde. Unsere Rauchvergiftung war zum Glück nur
leicht, wie man uns versichert hatte.
Als ich endlich in
einen unruhigen Schlaf fiel, dämmerte es draußen bereits, und auf dem Flur
vernahm man die Übergabe und dann das geschäftige Treiben der Morgenschicht.
Ich meinte zu hören, dass meine Tür einige Male geöffnet wurde, doch sackte ich
immer wieder in den Schlaf zurück. Das Pochen in meinem Kopf und eine Hand an
meiner Schulter weckten mich schließlich.
»Herzlichen
Glückwunsch zum neuen Leben, Michael!« Eine strahlende Cornelia mit nassen
Haaren und dem Duft von Shampoo und Kakao ließ sich auf mein Bett plumpsen.
»Meine Güte, Michael, ich beneide dich um deine gute Medikation. Ich habe nur
vier Stunden geschlafen.«
Ich stöhnte nur,
öffnete die Augen und bildete mir für einen kurzen Moment ein, Cornelia doppelt
zu sehen. Ich erwiderte: »Ich war aber nicht tot. Wofür die Glückwünsche?«
»Das liegt doch
auf der Hand. Diese komische Frau hat gedacht, du wirst sterben, weil sie eine
Vision von dem Brand im Schuppen hatte. Der Anblick von uns beiden am Boden,
nach Luft schnappend wie zwei Kakerlaken nach einer Dampfreinigung, sah
bestimmt nicht nach einem netter Ausflug aus. Sie musste davon ausgehen, dass
jede Rettung zu spät kam. Sie hat sich geirrt – und du lebst!« Ein süßer Kuss
traf mich direkt auf die Nase.
Ich hätte mich
freuen sollen. Auf die Zukunft, auf mehr Zeit mit Cornelia, ja, und auch auf
die Buchmesse.
Aber mein Kopf tat
weh. Allein das Öffnen der Augen strengte an. Und
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