Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
Cornelia
auf die Arme gepackt hatte und sie wie ein kleines Mädchen neben mir hertrug.
Wir fanden uns schließlich in einem der Rettungswagen wieder, eine Tasse heißen
Tees in den Händen, und ich ahnte, dass wir die Nacht in einem Krankenhaus
verbringen sollten. Eigentlich hatte ich gar nichts dagegen einzuwenden. Mein
Kopf tat sehr weh, ob von dem Schlag oder von der Rauchvergiftung, das wusste
ich nicht zu sagen, und Cornelia sah so blass aus, dass ich froh war, wenn sie
ärztlich betreut wurde.
Der Rettungswagen
stand am Rande des Hofgeländes, und ich versuchte durch die Fensterscheibe den
Schaden abzuschätzen, den das Feuer angerichtet hatte. Vor dem Wagen lief
Hauptkommissar Delbrock so unruhig hin und her wie ein angeschossener Wolf. Er
wollte unbedingt mit uns reden, bevor Ingo Hovermann und sein krimineller
Lakai, wie ich den Polen im Stillen nannte, im Nirwana irgendeiner Großstadt
verschwunden waren. Ich erklärte dem Sanitäter, wir seien durchaus fit genug, um
zu erzählen, was sich in der Scheune abgespielt hatte. Eine Fahndung nach Ingo
Hovermann lief bereits.
Zunächst hatte der
Hauptkommissar noch eine erschütternde Nachricht für uns: »Agathe Hovermann ist
vor wenigen Stunden gestorben. Die näheren Umstände werden noch untersucht.«
Ich starrte den
Hauptkommissar entsetzt an. Die Neuigkeit traf mich mehr, als ich erwartet
hätte. Ich hatte die alte Dame nur einmal getroffen, doch manchmal genügt ein
kurzer Augenblick, um einen Menschen ins Herz zu schließen.
Delbrock sah in
dieser Nacht überraschend fit aus. Seine Augen funkelten, die Wangen glänzten
rot, und um die Nase herum zeugten Rußspuren von seinem Einsatz. Ich hatte
mittlerweile erfahren, dass Cornelia und ich unser Leben diesem Kommissar
verdankten. Delbrock hatte von Anfang an geahnt, dass die Brände ein
Ablenkungsmanöver sein sollten. Leider war das Manöver ausgesprochen
erfolgreich gewesen, denn einige Zeit stand es wirklich auf der Kippe, ob der
Hof zu retten sein würde oder nicht. Und obgleich der Hauptkommissar sofort
einen Einsatzwagen zur Feldscheune beordert hatte, war viel wertvolle Zeit mit
der Brandbekämpfung verloren gegangen.
Außerdem waren wir
nicht die einzigen Verletzten. Zwei Feuerwehrmänner hatten Unfälle, als sie
mithalfen, die in Panik geratenen Pferde aus dem Stall zu führen und auf eine
nahe gelegene Koppel zu bringen. Einer von ihnen war von einem Huf in die
Magengegend niedergestreckt worden und befand sich bereits auf dem Weg ins
nächste Krankenhaus, um vermutlich operiert zu werden. Den anderen hatte ein
Pferd zu Boden gerissen und einige Meter mitgeschleift. Zu seinem Glück hatte
er nur böse Schürfwunden davongetragen und konnte ambulant versorgt werden. Und
ein Polizeibeamter war beim Versuch, eine Straßensperre aufzubauen, damit die
Einsatzwagen reibungslos den Hof erreichen konnten, von einem Autofahrer in der
Dunkelheit übersehen worden. Dabei waren ihm beide Beine gebrochen worden.
Sowohl für den Leiter der Feuerwehr als auch für Delbrock musste dieser Abend
eine echte Herausforderung gewesen sein, aber zumindest Delbrock schien bei
solchem Stress in Fahrt zu kommen.
»Die gute
Nachricht für den heutigen Abend lautet: Der Hof ist gerettet. Und einige
Menschenleben auch. Ein Stall muss komplett neu errichtet werden, aber das
Haupthaus kommt mit einigen Reparaturen davon. Nun können wir uns auf die
Festnahme unseres Hauptverdächtigen konzentrieren.« Delbrock rieb sich die
Hände und suchte in dem engen Wagen nach einer Sitzmöglichkeit. Dann starrte er
auf unsere dampfenden Teetassen und fragte: »Kann man das trinken?«
Als
eingefleischter Kaffeetrinker überlegte ich, ob ich ihm die Wahrheit sagen
sollte, nickte dann aber zaghaft. Natürlich konnte man Kamillentee nicht
trinken. Man badete allenfalls seine Füße darin!
Der Kommissar
verstand und lehnte ab. Und dann stellte er uns Fragen, die ich unter den
gegebenen Umständen merkwürdig fand.
»Wie gut kennen
Sie die Schulze Nüßings eigentlich? Trauen Sie einem aus der Familie zu, er
oder sie könnte den Brand selbst gelegt haben?«
Cornelia riss ihre
verklebten Augen auf, soweit das möglich war. »Ich dachte, wir sind uns sicher,
dass es Ingo Hovermann und sein polnischer Freund waren. Die ganze Familie
liebt ihren Hof. Und die Tiere!«
Delbrock nickte
nachdenklich und sah dann mich fragend an. Ich fühlte mich überfordert und
zuckte mit den Schultern.
»Ich habe diese
Leute erst zweimal gesehen, aber ich
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