Todtsteltzers Ehre
entfernt war. »Wir haben versucht zu kämpfen. Wir haben verloren. Unser einzige Hoffnung ruht jetzt auf dem Plan
des Wolfs. Und Gott helfe uns, falls alles schiefgeht.«
»Falls es gelingt, mache ich Euch alle zu Göttern«, sagte Valentin ruhig. »Wir werden ruhmreich heimkehren und eine
Macht erfahren, die sogar über das hinausgeht, was Löwenstein
früher hatte. Aber das liegt in der Zukunft. Erzählt mir von der
Gegenwart, Gregor. Wie läuft das Komplott?«
»Es wächst und gedeiht ständig«, berichtete Gregor. »Niemand ist bereit, sich öffentlich zu bekennen, aber immer mehr
Aristokraten und Politiker stellen Leute und Geld bereit, um
die Verwirklichung Eures Plans voranzutreiben. Niemand kann
jetzt schon sagen, wie viele von ihnen aufstehen und kämpfen
werden, wenn die Zeit reif ist, aber ich gebe mich auch damit
zufrieden, daß sie im richtigen Augenblick untätig bleiben. Die
Rebellen und ihr Schoßparlament glauben vielleicht, sie hätten
die Lage im Griff, aber ihr heißgeliebtes neues System ist auf
Sand gebaut.«
»Und die Sanduhr, die ihre Zeit bemißt, läuft ab«, sagte Valentin. »Wie ich doch eine gute Metapher liebe! Seid jetzt ein
guter Junge, Gregor, und verschwindet. Ich muß nachdenken.
Ich muß einen passenden Empfang für den lieben Owen und
die respektgebietende Hazel D’Ark vorbereiten.«
»Gebt auf Euch acht«, empfahl ihm Gregor. »Das sind keine
Menschen mehr. Falls sie es überhaupt je waren. Ihr werdet
kräftig hinlangen müssen, um sie zu töten.«
»Falls es einfach wäre«, sagte Valentin, »würde es keinen
Spaß machen, nicht wahr? Lebt wohl, Gregor.« Er schaltete
den Bildschirm aus.
»Sollen sie ruhig kommen«, sagte der Silvestri. »Wir werden
schon mit ihnen fertig.«
»Wir durchaus«, sagte der Kartakis. »Was Euch angeht, bin
ich mir jedoch nicht sicher.«
Carlos Silvestri lief rot an und nahm ein Messer in jede
Hand. »Ich kann meinen Beitrag leisten!«
»Entspannt Euch«, empfahl der Romanow und durchwühlte
die Überreste seiner Mahlzeit, nur für den Fall, daß er etwas
übersehen hatte. »Mit all den Wachtposten und Sicherheitssystemen, die wir hier aufgefahren haben, könnten wir uns einer
ganzen Armee erwehren, bis sie verhungert wäre.«
»In jedem anderen Fall vielleicht«, entgegnete der Silvestri.
»Aber hier haben wir es mit dem Todtsteltzer und dieser D’Ark
zu tun. Ich habe Geschichten über sie gehört, über das, was sie
in den Straßenkämpfen auf Golgatha geleistet haben. Jemand
sagte, sie wären umgekommen und hätten sich selbst wieder
zum Leben erweckt.«
»Geschichten«, sagte Athos Kartakis. »Geschichten werden
immer erzählt.«
»In diesem Fall könnten sie der Wahrheit entsprechen«,
meinte Valentin. »Aber macht Euch keine Sorgen, geschätzte
Kameraden. Sollen sie anrücken, wie sie möchten. Sie werden
hier nichts anderes als den Tod finden.« Er lachte leise über
diesen kleinen Scherz. Die anderen sahen nicht so aus, als wüßten sie seinen Humor besonders zu schätzen, aber schließlich
taten sie das nur selten. Valentins Sinn für Humor hatte sich
verändert, sich im Takt mit seiner alchemistischen Transformation verwandelt, und entsprach nicht mehr jedermanns Geschmack. Er seufzte und stand auf, gab damit das Zeichen, daß
die Tafel offiziell aufgehoben war. Er tupfte sich anmutig die
scharlachroten Lippen mit einer Serviette ab und ging zur Tür
hinüber. Die drei Aristokraten gaben unwillkürlich diverse
Laute der Beunruhigung von sich. Valentin ließ sich Zeit, bis er
sich zu ihnen umdrehte.
»Ja, liebe Freunde? Ist da noch etwas?«
»Die Droge«, antwortete der Kartakis kalt. »Wir brauchen
die Droge.«
»Natürlich«, sagte Valentin. »Wo war ich nur mit meinen
Gedanken? Es wird Zeit für Eure tägliche Dosis, nicht wahr?
Wie außerordentlich vergeßlich von mir.«
Er spazierte zum Tisch zurück und zog ein Pillenfläschchen
aus der Tasche. Die drei Männer, die einmal Lords gewesen
waren und Meister ihres Schicksals, betrachteten das Fläschchen und bemühten sich, nicht zu verzweifelt auszusehen. Valentin war durchaus fähig, dieses Spielchen endlos hinzuziehen, falls ihm danach zumute war. Er konnte sie zwingen, alles
zu tun, einfach alles, und das auf der Stelle, und jeder von ihnen wußte es.
Entwickelt worden war die Esperdroge von einer kleinen
Gruppe Wissenschaftler, die eigentlich etwas anderes suchten.
Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, daß sie eine Droge geschaffen hatten, die jedem bei regelmäßiger
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