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Todtsteltzers Ehre

Todtsteltzers Ehre

Titel: Todtsteltzers Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Beschaffenheit waren Owen und Hazel vielleicht nicht für die Sensoren der Burg erkennbar, wohl
aber uneingeschränkt für das bloße Auge. Und Owen teilte
nicht Hazels Überzeugung von ihrer beider Unverwundbarkeit.
Nach dem Austausch einiger Argumente entschieden sie
schließlich, daß der einzige praktische Weg zur Rückmauer
führte. Dazu mußten sie erst ein Stück des Weges zurückgehen,
den sie gerade gekommen waren, um dann langsam zum wellengepeitschten Fuß des großen Vorgebirges hinabzusteigen.
Endlich standen sie gemeinsam inmitten der hochgewirbelten
Gischt und blickten mehrere hundert Fuß einer nackten Granitwand hinauf.
    »Früher sah man hier Vögel«, erzählte Owen leise. »Oder
Dinge, die Vögeln sehr ähnlich waren. Sie stiegen mit dem
Wind auf, zogen ihre Kreise und schrien mit den traurigsten
Stimmen, die man je gehört hatte. Und jetzt sind sie alle dahin.
Sie haben sogar die verdammten Vögel getötet!«
    »Nur ein weiterer Grund, um Rache zu nehmen«, sagte Hazel. »Nichts geht über ein bißchen geschürte Wut, um den Körper auf einer langen, kalten Kletterpartie zu wärmen.«
    »Es ist sehr kalt hier«, sagte Owen. »Ich denke nicht, daß mir
je wieder warm wird.«
Er machte sich auf den Weg die dunkle Granitwand hinauf.
Er kletterte langsam und vorsichtig, und einen Moment später
folgte ihm Hazel. Der Wind umrauschte sie, mühte sich, sie
von der jähen Felswand zu pflücken, konnte sie aber nicht von
der Stelle bewegen. So begnügte er sich damit, ihnen Tränen
aus den Augen zu wehen. Owen konzentrierte sich auf die
Wand vor ihm und bewegte sich selbstbewußt von einem Fußhalt und einem Handgriff zum nächsten.
Nach den ersten dreißig Metern entschied er sich definitiv, er
würde keinen Blick nach unten riskieren, bis er sicher innerhalb der Burg war. Tolle Aussichten mal außer acht, hatte er
sich in großer Höhe noch nie wohl gefühlt. Trotzdem fiel es
ihm immer leichter, die nackte Felswand zu erklimmen, und er
fand mit Händen und Füßen instinktiv Vorsprünge und Absätze, von denen er geschworen hätte, daß sie gar nicht vorhanden
waren, bis er sie brauchte. Nicht zum ersten Mal hatte er das
Gefühl, als wüßte der Körper selbst, was er zu tun hatte, ohne
daß er es ihm hätte erklären müssen. Owen dachte darüber
nach, während er kletterte. Er vollbrachte heute allerlei Dinge,
zu denen er früher nie fähig gewesen war, ehe er das Labyrinth
des Wahnsinns durchquerte und als jemand wieder daraus hervorkam, der sein altes Selbst so sehr übertraf. Die Talente kamen und gingen, und er konnte sich nicht immer darauf verlassen, daß sie vorhanden waren, wenn er sie brauchte. Und selbst
nach all dieser Zeit war er kein bißchen schlauer geworden,
welcher Art sie waren. Er blickte zu Hazel hinüber, die gelassen an der glatten Granitfläche emporkletterte wie ein Insekt an
einer Glasscheibe, und mußte sich wieder abwenden. Er hoffte
wirklich, daß er keinen vergleichbaren Eindruck machte. Er
zwang sich, wieder hinüberzublicken, und stellte fest, daß Hazel den Blick erwiderte.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte sie gelassen.
»Wäre nicht das erste Mal«, sagte Owen. »Ich vermute, Ihr
hattet vor dem heutigen Tag auch keine Ahnung vom Bergsteigen?«
»Präzise umrissen. Es scheint, als wüßten Hände und Füße
genau, wohin sie sich bewegen müßten, ohne daß ich erst hinsehe – als hätten sie es schon immer gewußt. Gruselig. Ich frage mich, was wir sonst noch alles schaffen würden, wenn wir
es uns nur vornähmen. Ich habe schon immer davon geträumt,
mal zu fliegen …«
»Das würde ich in diesem Moment nicht gerade probieren«,
erwiderte Owen. »Die Klippen dort unten wirken besonders
unnachgiebig.«
»Guter Punkt.«
Sie kletterten schweigend ein Stück weiter. Owen konnte
nicht umhin festzustellen, daß sie beide nicht einmal schwer
atmeten.
»Denkt Ihr je über das nach, was wir alles tun können?« fragte er schließlich. »Und zu wem wir uns entwickeln? Wir sind
keine Esper. Ich habe etliche führende Leute der EsperBewegung gebeten, mich zu sondieren. Sie haben keine Ahnung, wie ich es schaffe, all das zu tun, was mir heute möglich
ist.«
»Ich bemühe mich, nicht zu viel darüber nachzudenken«,
sagte Hazel. »Wir haben Gaben erhalten. Gaben, die uns in
Situationen das Leben gerettet haben, in denen jeder andere
eines entsetzlichen Todes gestorben wäre. Sie haben uns dabei
geholfen, das Imperium zu stürzen.

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