Todtsteltzers Ehre
sondern
vor der Dunkelwüste selbst. Und da sind wir, im Begriff, in
diese Dunkelheit zurückzukehren.«
»Könnte es sich um eine Warnung der Neugeschaffenen handeln?« fragte Carrion. »Sich aus ihrem Territorium herauszuhalten?«
»Eure Vermutung ist so gut wie meine. Ich schätze, wie immer werden wir es auf die harte Tour herausfinden müssen.
Und natürlich müssen wir es tun. Dieses Schiff und seine Besatzung haben mehr Erfahrung mit der Dunkelwüste als drei
beliebige andere Schiffe gemeinsam. Und schließlich sind wir
durchaus entbehrlich.«
»Nichts verändert sich«, fand Carrion, und sie beide brachten
eine Art Lächeln zustande.
»Richtig«, sagte Schwejksam. »Was ist es für ein Gefühl,
wieder Investigator zu sein?«
»Ich trage diesen Titel nur der Form halber. Ich ziehe jedoch
nicht die offizielle Uniform an. Ich bin ihrer nicht mehr würdig. Oder sie meiner nicht. Darüber bin ich mir noch nicht
klargeworden.«
»Ihr genießt eine umfassende Amnestie. Ihr werdet nicht
mehr gesucht«, stellte Schwejksam fest. »Würdet Ihr nicht gern
wieder heimkehren, Sean?«
»Ich hatte ein Zuhause«, sagte Carrion. »Ich war dort glücklich. Und dann habt Ihr und Shub es zerstört.«
Evangeline Shreck kehrte schließlich nach Hause zurück, zum
Turm der Shrecks, stand lange in seinem kalten, dunklen
Schatten und bemühte sich, ihr Zittern zu beherrschen. Von
außen wirkte der Turm wie irgendein beliebiges Gebäude aus
Stahl und Glas und den Familienfarben, die es als einen der
legendären Pastelltürme kennzeichneten, Heimstatt eines
Clans. Für Evangeline war es ein Hexenhaus, eine Dämonenhöhle, jener dunkle Ort, der in unseren schlimmsten Alpträumen nach uns ruft. In seiner schrecklichen Umarmung hatte sie
ein schlimmes Leben voller Schmerz und Grauen und Pein
geführt, bis schließlich der Prinz auf seinem weißen Roß erschien, ihr seine Liebe schenkte und ihr den Mut gab, sich von
dem Unmenschen zu befreien, der sie in Ketten hielt.
Und jetzt war sie zurückgekehrt, obwohl sie sich geschworen
hatte, es nie zu tun. Wieder daheim, um ihre allerbeste Freundin aus der Hölle zu befreien, die sie selbst so gut kannte.
Ihr Liebster wußte nicht, daß sie hier war. Sie hatte Finlay
Feldglöck in dem Glauben belassen, daß sie auf einen weiteren
Einsatz für die Klon-Bewegung ging. Hätte er gewußt, daß sie
zum Turm der Shrecks zurückkehrte, dann würde er versucht
haben, sie daran zu hindern, sei es auch nur mit Worten. Und
das konnte sie nicht zulassen. Sie mußte diese Aufgabe selbst
leisten. So weh es auch tat. Sie war gekommen, um sich dem
Monster zu stellen, ihrem Vater Gregor Shreck. Er glaubte, alle
Trümpfe in der Hand zu halten, alle Vorteile auf seiner Seite zu
haben, aber Evangeline hielt selbst ein paar Überraschungen
bereit, nur für ihn. Nur für den lieben Vater.
Den Mann, der die eigene Tochter ermordet hatte, die ursprüngliche Evangeline, und sie dann insgeheim klonen ließ –
die heutige Evangeline. Den Mann, der sowohl das Original
wie auch den Klon nicht als Vater liebte, sondern als Mann.
Der seine Stellung und die Liebe seiner Tochter mißbrauchte.
Der seine Evangelines mit ins Bett nahm und ihnen mehr über
Schmerz als über Lust beibrachte. Der Teufel in seiner Hölle.
Gregor Shreck.
Der Haß pulsierte in ihr wie der Schlag des Herzens, wogte
durch die Adern, vertrieb die Angst. Sie holte tief Luft, um die
Fassung wiederzufinden, und ging gelassen auf die gepanzerten
Wachtposten zu, die den Haupteingang zum Shreck-Turm bewachten. In der umfangreichen schwarzen Körperrüstung, die
Gesichter hinter stilisierten Sensormasken versteckt, sahen sie
Käfern ähnlicher als Menschen. Es waren insgesamt sechs,
aber sie jagten Evangeline keine Furcht ein. Sie blieb in vorsichtiger Distanz stehen und bedachte sie mit hochmütigem
Blick.
»Ich bin Evangeline Shreck und möchte meinen Vater Gregor besuchen. Informiert ihn darüber, daß ich gekommen bin.«
Die Posten sahen für einen Moment sie an, dann einander.
Sie vermutete, daß sie sich kurz, aber intensiv über ihre
Komm-Implantate unterhielten, ehe sie es wagten, ihren Meister zu stören, den Shreck. Es dauerte nicht lange, bis sie zurücktraten und Evangeline mit Gesten bedeuteten, sie möge
den Turm durch den Haupteingang betreten. Sie schritt erhobenen Hauptes vor, und die einzelne schwere Tür öffnete sich
lautlos vor ihr. Die Eingangshalle war seit ihrem letzten Besuch neu dekoriert
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