Todtsteltzers Ehre
ihn nur mit einem harten Blick, so daß er die Hand
senkte und sich wieder zu Ohnesorg umdrehte.
»Ich bin Peter Wild, leitender Wachoffizier. Ich wollte eine
Suchgruppe losschicken, die nach Euch Ausschau hält, aber der
Stadtrat war fest überzeugt, daß niemand einen solchen Absturz hätte überleben können. Ich habe es ihnen ja gesagt! Ich
wußte, daß mehr als ein Absturz nötig ist, um Jakob Ohnesorg
zu erledigen!«
Von den übrigen Wachleuten kam lautes, zustimmendes Gebrumm, und Ohnesorg sah sich um und stellte fest, daß sie ihn
mit großen Augen und breitem Lächeln ansahen und ihm respektvoll zunickten. Ohnesorg deutete auf Ruby, die plötzlich
damit aufhörte, zu husten und auf den Boden zu spucken.
»Ich denke, Ihr kennt meine Begleiterin?«
»O ja!« antwortete Wild, und sein Lächeln verschwand. »Wir
wissen alles über Ruby Reise. Bitte laßt nicht zu, daß sie wichtige Leute umbringt oder irgendwas in Brand steckt!«
»Deine Reputation ist dir vorausgeeilt«, sagte Ohnesorg trokken zu Ruby.
»Trotzdem«, fuhr Wild fröhlich fort, »sind wir sehr froh,
Euch hier zu empfangen, Sir Ohnesorg. Vielleicht könnt Ihr
diesem verdammten Krieg eine Wende geben.«
»Unsere Instruktionen waren sehr allgemeiner Natur«, sagte
Ohnesorg. »Bringt uns über die Einzelheiten auf den neuesten
Stand.«
Wild zögerte. »Man erwartet von mir, Euch direkt zum Stadtrat zu führen, damit man Euch dort über die aktuelle Lage informiert.«
»Ihr könnt unterwegs schon damit anfangen. Erzählt mir von
Vidar! Wie gut ist die Stadt geschützt?«
»Wände und Türen aus massivem Stahl, über dreißig Zentimeter dick«, berichtete Wild und führte sie durch das Innentor
der Luftschleuse. »Das Kraftfeld über den Mauern schützt uns
vor dem Wetter. Wir brauchen Stadtmauer und Tore, weil wir
das Kraftfeld nicht mal für eine Sekunde senken könnten, ohne
daß der Sturm die Stadt verwüstet. Es liegt nicht nur an der
Windstärke; der Staub sickert einfach überall hinein. Die
Technik versagt dabei fortlaufend.«
»Hört der Sturm nie auf?« fragte Ruby.
»Nein, gnä’ Frau. Er hat nur zuzeiten Schwächeperioden.
Hier entlang.«
Auf die Luftschleuse folgte ein schlichtes Muster aus schmalen Straßen zwischen niedrigen, kompakten, funktionell wirkenden Häusern. Farben und Dekorationen waren Mangelware.
Vidar diente dem Bergbau und bot keinen Platz für Zierrat und
Phantasien. Menschen eilten vorbei, als Wild seine Gäste in die
Stadt führte, schenkten den Neuankömmlingen jedoch wenig
oder gar keine Beachtung. Alle trugen Schwerter und Strahlenwaffen, sogar in der angeblichen Sicherheit der Festung.
Ohnesorg hielt das für bedeutsam.
»Die Truppen der Aufständischen haben sich mit Shub verbündet«, sagte Wild. Er sprach das Wort Shub wie einen Fluch
aus. »Sie verfügen über eine Armee aus Geistkriegern und ein
paar Furien sowie über ein ganzes Arsenal an hochtechnologischen Waffen, die mehr Ausfälle zu verzeichnen haben, als daß
sie funktionieren würden. So ist nun mal Loki . Nicht mal Shub findet Schutz vor dem Staub. Als Folge davon findet ein Großteil der Kämpfe ohne Waffen statt. Fleisch und Blut gegen
wandelnde Leichen und Metallgestalten. Nicht direkt ein ausgeglichenes Szenario, aber so ist nun mal Shub. Jedenfalls
scheinen die Aufständischen keine Einwände zu haben. Ihre
Anführer interessieren sich für nichts anderes mehr als den
Sieg. Die Disruptorkanone, die Euch abgeschossen hat, war für
uns ebenso überraschend wie für Euch. Sie müssen echt Angst
vor Euch haben, wenn sie das Risiko eingehen, eine so starke
Waffe zu enttarnen. Betrachtet es als zweifelhaftes Kompliment.«
»Oh, das tun wir!« versicherte ihm Ohnesorg, ohne die Miene zu verziehen. »Und wir haben vor, das Kompliment so
schnell wie möglich zu erwidern.«
Wild grinste. »Ich muß schon sagen, ich freue mich wirklich
darauf, mit Euch zusammenzuarbeiten, Sir Ohnesorg! Ihr wart
immer schon mein Held. Ich habe mir alle Eure Holofilme angesehen.«
Der junge Wachmann sprudelte förmlich über vor Aufrichtigkeit, die von einer Art war, wie Ohnesorg sie seit den Tagen
seines Ruhms nicht mehr erlebt hatte damals, als er noch die
einzige Hoffnung gewesen war, die Löwensteins Imperium
entgegenstand. Viel hatte sich seitdem verändert. Wenn eine
solche Heldenverehrung überhaupt noch Eindruck auf ihn
machte, dann fühlte er sich dabei alt. Er wußte nicht recht, ob
er noch der Mann war, an den sich Wild
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