Todtsteltzers Ehre
Schritt weit zurückzuweichen. Allmählich wurde ihre Abwehr
immer wieder mal von feindlichen Schwertern durchbrochen,
und die Wunden brauchten zunehmend länger, um wieder zu
heilen. Es war ein langer und harter Tag gewesen, sogar für
zwei lebende Legenden. Sie atmeten ungleichmäßig, und die
Luft brannte ihnen in den Lungen. Der Schweiß lief ihnen über
die Gesichter, brannte ihnen in den Augen und schmeckte auf
den Lippen salzig. Der Boden wurde rutschig von ihrem eigenen Blut. Und immer noch stürmten die Geistkrieger heran, so
daß Ohnesorg sich selbst endlich eingestehen mußte, was er
von Anfang an gewußt hatte daß zwei Krieger eine Armee
zwar eine Zeitlang aufhalten konnten, nicht jedoch endlos.
Also tat er das einzige, was ihm blieb. Er tastete mit den Gedanken zu Ruby hinaus, und ihrer beider Gedanken verschmolzen miteinander. In einem Augenblick außerhalb jeder Zeit
drangen sie tief ins eigene Innere vor, und Energie flammte aus
dem Unterbewußtsein hervor, stieg in ihren veränderten
Verstand hinauf und sprang hinaus in die wirkliche Welt, wo
sich die Energie in eine Wand aus sengenden, verzehrenden
Flammen verwandelte. Sie bahnte sich ihren Weg von Ohnesorg und Ruby weg und verzehrte alles, was ihr in die Quere
kam. Geistkrieger verkohlten und verschrumpelten, als wäre
ein Stück der Sonne vom Himmel gesunken und hätte die Erde
berührt. Totes Fleisch wurde verschlungen und gab endlich
Frieden. Shubtech schmolz und zerlief in Pfützen aus rauchender Metallschlacke. Über hundert Geistkrieger fielen den
Flammen allein in den ersten Sekunden zum Opfer. Die Hitzewand setzte brüllend ihren Weg fort und verschlang weiterhin
alles. Die Armee aus Geistkriegern wandte sich zur Flucht,
aber die Feuerwand war schneller und setzte ihnen über die
Ebene nach.
Als der Brand schließlich erlosch, war mehr als die halbe Shub Armee zu geschwärzten Schalen reduziert worden, in
dunklen, gleichförmigen Haufen über die Ebene verstreut. Die
Überlebenden hatten sich vor Jung Jakob Ohnesorg aufgebaut,
der inzwischen nicht mehr lächelte. Am Talausgang waren Ohnesorg und Ruby auf die Knie gesunken und ließen erschöpft
die Köpfe hängen. Sie hatten die letzten Kraftreserven in den
Feuerangriff gesteckt und waren wie ausgebrannt. Die selbsterzeugten Flammen hatten sie nicht verletzt, aber jetzt war die
von den versengten Talwänden ausgestrahlte Hitze fast überwältigend.
»Das war aber eine tolle Nummer!« krächzte Ruby tonlos.
»Denkst du, wir würden das noch mal hinkriegen?«
»Keine Chance«, antwortete Ohnesorg. »Hoffen wir lieber,
daß Jung Jakob Ohnesorg das nicht weiß. Gott, fühle ich mich
schlecht!«
»Gilt auch für mich. Und wir haben nicht mal die Mehrheit
von ihnen erwischt. Ich hege den fürchterlichen Verdacht, daß
wir vielleicht zu früh zum äußersten gegriffen haben.«
»Uns blieb keine Wahl. Sie hätten uns überwältigt.«
»Das können die Überlebenden immer noch.« Ruby hob
schmerzhaft den Kopf und blickte in die Ebene hinaus. »Scheiße. Wir haben etwa die Hälfte erwischt. Und dieser eingebildete Metallbastard ist immer noch da draußen. Ich frage mich,
worauf er noch wartet.«
»Wahrscheinlich will er erst mal sehen, wie stark wir geschwächt sind. Auf die Beine, Ruby. Vielleicht können wir sie
bluffen.«
Aber sie konnten sich nicht erheben, ohne daß sich der eine
schwer auf den anderen lehnte, und selbst als sie endlich auf
den zitternden Beinen standen, hingen ihnen die Schwerter
schlaff in den Händen.
»Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist«, sagte Ruby,
»aber unsere Wunden heilen nicht mehr.«
»Ich habe es bemerkt. Ich denke, diese Feuerwand hat uns alles gekostet, was wir hatten. Solange wir nicht Gelegenheit
finden, uns zu erholen, sind wir am Ende. Wir sind … einfach
wieder Menschen. Haben nichts mehr außer den Pistolen und
Schwertern und gesunden rechten Armen.«
»Gut«, fand Ruby. »Ich war schon immer der Meinung, daß
das eine viel ehrenvollere Art zu kämpfen ist.«
»Wir haben immer noch … eine weitere Möglichkeit«, erinnerte sich Ohnesorg.
»Bei Gott, wirklich?« fragte Ruby. »Ich würde sie nur zu
gern hören.«
»Sieh zu, daß du wie der Teufel von hier verschwindest.
Kehre nach Vidar zurück, während ich sie hier aufhalte, so
lange ich kann. Vielleicht verschaffe ich dir genug Zeit, damit
du in der Stadt eine Abwehr organisieren kannst.«
»Netter Gedanke«, sagte Ruby. »Aber
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