Todtsteltzers Ehre
ist besorgniserregend.«
»Wenn dir das schon gefällt, wirst du hiervon begeistert sein:
Wieso greifen uns die Geistkrieger nicht an?«
»In Ordnung, ich komme nicht drauf. Wieso?«
»Weil sie auf jemanden warten. Höchstwahrscheinlich auf
Jung Jakob Ohnesorg. Mit Verstärkungen, die er bislang noch
nicht ins Feld geworfen hat.«
Auf der Ebene ertönte ein Geräusch, und sie blickten hinüber. Das Geräusch löste sich schnell zum rhythmischen
Stampfen marschierender Füße auf, und eine zweite Totenarmee rückte aus der Ferne an, locker tausend Mann stark, mit
der glänzend silbernen, gepanzerten Gestalt des lächelnden
Jung Jakob Ohnesorg an der Spitze. Sie gesellten sich zur lautlos abwartenden ersten Streitmacht, standen dann reglos in
Reihen aufmarschiert und blickten mit starren Augen zur
schmalen Öffnung des Tals hinüber – zu den beiden Legenden
aus Fleisch und Blut, die sie bewachten.
Sie ignorierten die beiden Streitkräfte aus Menschen, die sich
in einiger Entfernung hartnäckig weiter bekämpften. Shub wußte, wo die wirkliche Gefahr lag.
»Bist du es nicht langsam leid, immer recht zu behalten?«
fragte Ruby fast wütend. »Das sind keine guten Chancen, Jakob! Wir könnten hier wirklich in Schwierigkeiten geraten.«
»Falls wir die Wahl haben, lebend oder tot gefaßt zu werden,
hielte ich es für klug, wenn wir uns für tot entschieden«, sagte
Ohnesorg. »Vivisektion macht dem Opfer vermutlich keinen
Spaß.«
»Ich bin froh, daß du bei mir bist, um mich auf die heiteren
Aspekte hinzuweisen«, sagte Ruby. »Ich vermute, es käme
nicht in Frage, wie der Teufel abzuhauen?«
»Leider richtig. Wir müssen standhalten, um Zeit zu schinden. Zeit für Vidars Armee, um die Aufständischen zu besiegen. Zeit bis zur Rückkehr des Sturms. Oder, falls alles andere
scheitert, um die Zahl der Geistkrieger soweit zu senken, daß
die Stadt eine Chance hat. So oder so, alles hängt von uns ab.«
»Natürlich«, sagte Ruby. »Das tut es immer, nicht wahr?«
»Wir haben noch acht, vielleicht neun Stunden, bis die Wetterflaute vorüber ist«, sagte Ohnesorg gelassen. »So lange
könnten wir durchhalten. Danach dürfte es richtig interessant
werden. Vergiß, was ich vorher gesagt habe. Sie beschließen
vielleicht, uns auf jeden Fall zu schnappen, sei es auch bei
Sturm. Sie sind schließlich schon tot. Sie spüren weder den
Wind noch die Kälte oder den beißenden Staub. Und Shub ist
wirklich ausgesprochen scharf auf uns. Ich frage mich, ob sie
deshalb den jungen Jakob Ohnesorg geschickt haben – um als
Köder in der uns gestellten Falle zu dienen. Egal. Nein, Ruby,
ich denke, wir müssen akzeptieren, daß wir bis zum Ende hier
sind. Bis die eine oder die andere Seite nichts mehr zu gewinnen hat.«
»Jetzt mal langsam!« sagte Ruby. »Ich denke, der Vorhang
hat sich gerade gehoben.«
Die gesamte Armee aus Geistkriegern strömte über die Ebene
in ihre Richtung, während Jung Jakob Ohnesorg auf die Seite
getreten war und sie mit aufmunternden Rufen seiner fröhlichen menschlichen Stimme anspornte. Die Toten schwiegen.
Das einzige Geräusch war das Trommeln ihrer toten Füße auf
dem harten, unnachgiebigen Boden. Ohnesorg und Ruby packten die Schwerter und hielten sich am Taleingang bereit.
»Falls wir hier fallen …« begann Ohnesorg.
»Ja?« fragte Ruby.
»Zumindest wird es ein guter Tod. Der Tod von Kriegern.«
»Stimmt. Wir wurden nie für die Zivilisation geschaffen, Jakob.«
»Aber falls wir durch irgendein Wunder überleben …«
»Ja?«
»Dann habe ich vor, in Zukunft manches anders anzugehen.
Keine Politik mehr. Keine Kompromisse mehr. Ich folge meinem Herzen und meinem Gewissen, und Gott helfe jedem, der
mir dabei in die Quere kommt.«
»Klingt für mich nach einem guten Plan«, sagte Ruby.
Und dann prallten die ersten Geistkrieger auf sie. Ohnesorg
und Ruby standen zusammen und schwangen ihre Schwerter
mit übermenschlicher Kraft und Schnelligkeit, schnitten die
Geistkrieger in Stücke und zerlegten die belebten Leichname
buchstäblich in ihre Einzelteile, die dann hilflos zu Boden fielen. Rasch wurden die Reste weggezerrt, damit neue Geistkrieger an ihre Stelle treten konnten. Nur fünf oder sechs konnten
jeweils ins Tal eindringen, und Ohnesorg und Ruby nahmen es
mühelos mit ihnen auf. Zunächst.
Der Kampf ging weiter, aber nach der ersten Stunde wurden
Ohnesorg und Ruby langsamer, und ihre Kräfte schwanden.
Keine Pause trat ein, und sie wagten nicht, auch nur einen
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