Todtstelzers Krieg
wurde der Zug immer langsamer hielt schließlich
an. Die Tür glitt auf, und das Brummen der Motoren erstarb.
Mit einemmal herrschte völlige Stille. Owen erhob sich aus
seinem Sitz. Er spürte, wie sein Herz heftig in der Brust klopfte. Sie waren am Hof angekommen. Keine weiteren Pläne, keine Streitereien mehr und keine leisen Panikanfälle in den frühen Morgenstunden, wenn alle anderen fest schliefen.
Und kein Weg zurück.
Hier am Hof würde sich innerhalb der nächsten Stunden sein
Schicksal entscheiden und mit ihm das des gesamten Imperiums. Auf die eine oder andere Weise.
Er zog das Schwert und den Disruptor, atmete tief durch und
trat auf den Bahnsteig hinaus. Er kam nur ein paar Schritte weit
und blieb dann wie angewurzelt stehen. Er hörte, wie Giles und
Hazel hinter ihm aus dem Zug ausstiegen; aber er hatte nur
Augen für den einzelnen Mann, der die drei Rebellen am anderen Ende des Bahnsteigs erwartete. Und im gleichen Augenblick, in dem Owen ihn sah, wußte er, daß er eigentlich von
Anfang damit hätte rechnen müssen, ihn hier zu treffen. Daß es
nur recht und billig war, wenn dieser Mann vor allen anderen
dort war und versuchen würde, sie aufzuhalten. Er stand in
einiger Entfernung auf dem hell erleuchteten Bahnsteig, hielt
das Schwert in der Hand und wartete geduldig darauf, daß die
drei Rebellen zu ihm kamen. Die energetische Hälfte seines
Körpers knisterte und knackte laut in der Stille.
Der Halbe Mann.
Hazel trat zu Owen und fluchte leise. »Ich wußte gleich, daß
alles viel zu glatt gelaufen ist«, sagte sie. »Warum muß es ausgerechnet er sein? Der einzige Mensch im ganzen verdammten
Imperium, den man nicht töten kann.«
»Weil meine Loyalität außer Frage steht«, antwortete der
Halbe Mann. »Weil die Sensoren in den Waggons uns verraten
haben, wer auf dem Weg hierher war, und weil die Löwenstein
wußte, daß ein außergewöhnlich tapferer Mann nötig sein würde, um Euch aufzuhalten. Und weil ich hier sein wollte. Die
Löwenstein war ziemlich wütend, als die Gasdüsen nicht funktionierten, aber ich nicht. Es wäre ein so … erbärmlicher Weg
gewesen, Euch zu besiegen. So ist es viel besser. Findet Ihr es
nicht passend, daß der treueste Untertan im gesamten Imperium den berüchtigtsten Hochverrätern gegenübertritt? Ich schätze, es ist zu spät, um Euch Eure Verrücktheit ausreden zu wollen?«
»Viel zu spät«, antwortete Giles.
»Und es ist auch nicht Verrücktheit«, sagte Owen, »sondern
Notwendigkeit. Das Imperium ist krank, korrupt und böse geworden. Es muß niedergerissen werden, damit etwas Besseres
seinen Platz einnehmen kann.«
»Das habe ich alles schon so oft gehört«, erwiderte der Halbe
Mann. Sein halbes Gesicht blieb ausdruckslos; doch seine
Stimme klang entschlossen. »Aber es bedeutet gar nichts im
Vergleich mit dem Bösen, das draußen vor dem Imperium lauert. Die Fremdwesen, die mein Schiff zerstörten und meine
Besatzung ermordet und mir das hier angetan haben, lauern
noch immer dort draußen und warten darauf, daß wir schwach
und uneins werden, damit sie kommen und uns vernichten
können. Und die belanglosen Mißstände, über die Ihr Euch die
Köpfe zerbrecht, sind nichts im Vergleich zu dem, was diese
Fremdwesen der Menschheit antun werden. Ich habe an Bord
ihres Schiffes Schrecken gesehen und erlebt, die weit über Eure
schlimmsten Alpträume hinausgehen. Im Vergleich zu ihnen
sind wir nichts. Allein der vereinten Kraft des Imperiums kann
es gelingen, sie aufzuhalten. Und mit Eurer Rebellion setzt Ihr
das Überleben unserer gesamten Spezies aufs Spiel.«
»Spar dir diesen Mist!« knurrte Hazel. »Das mußte ich mir
mein ganzes Leben lang anhören. Wo stecken denn deine
Fremdwesen? Keine Spur von ihnen zu sehen, all die Jahre
nicht. Falls sie kommen wollten, hätten sie das schon vor langer Zeit getan. Heutzutage benutzen Typen wie ihr das doch
nur noch als Ausrede, um an der Macht zu bleiben. Damit Leute wie ihr mit Leuten wie mir machen könnt, wozu ihr Lust
habt. Laß die Fremdwesen nur kommen. Sie können nicht
schlimmer sein als das Leben, zu dem Typen wie du mich und
meinesgleichen verdammen wollen. Ihr seid die wirklichen
Fremdwesen. Ihr habt nichts, aber auch gar nichts mit den
Menschen gemeinsam, deren Leben ihr in den Händen haltet.«
»Hazel hat ganz recht«, bestätigte Owen. »Ihr schwafelt
schon so lange von einer Bedrohung durch bösartige Fremdwesen, daß ihr damit inzwischen alles
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