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Todtstelzers Schicksal

Todtstelzers Schicksal

Titel: Todtstelzers Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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versäumen, oder?«
»Falls möglich, doch. Verstehe ich den Ausdruck, mit dem
Ihr mich betrachtet, richtig, wenn ich vermute, dass ich mich
schon freiwillig für Eure Landungsgruppe gemeldet habe?«
»Kurz und präzise. Ihr müsst meine Gedanken gelesen haben.«
»Ha ha ha. Verdammter Offiziershumor. Es wird alles in
Tränen enden – das weiß ich einfach.«
    Weiter unten im Schiff, in einem der weniger bevölkerten Freizeitbereiche der Unerschrocken , saß der unter dem Namen Carrion bekannte Mann allein an einem Tisch und trank nach einer
reizlosen Mahlzeit lauwarmen Kaffee. Er hätte alle Mahlzeiten
in der eigenen Kabine einnehmen können und es so auch lieber
gehabt, aber Schwejksam hatte ihm befohlen, sich öffentlich zu
zeigen, damit die Besatzung Gelegenheit erhielt, sich an ihn zu
gewöhnen. Bislang schien es nicht zu funktionieren. Die Leute
vermieden es, mit Carrion zu reden, solange es nicht unumgänglich war, und behandelten ihn dann bestenfalls mit kalter
Höflichkeit. Nur ihr Respekt vor dem Kapitän hinderte sie daran, offene Beleidigungen auszustoßen oder sogar Gewaltakte
zu probieren. Sie betrachteten den Mann im Verräterkostüm
und sahen nur den Investigator, der sich auf dem Planeten Unseeli den Eingeborenen angeschlossen und an der Seite der
fremdartigen Ashrai gegen die eigene Lebensform gekämpft
hatte. Carrion, den vereidigten Beschützer der Menschheit, der
zum Verräter und Gesetzlosen wurde, weil er eine fremde Lebensform mehr liebte als die eigene Ehre und Pflicht.
    Und wer wollte sagen, dass sie sich irrten?
Niemand saß mit ihm am Tisch. Die Leute verzichteten sogar
ostentativ darauf, sich an einen Tisch in seiner Nähe zu setzen.
Manche redeten über ihn, gerade laut genug, um sicher zu sein,
dass er sie verstand. Die meisten sahen ihn nicht mal an. Um
die Wahrheit zu sagen, empfand Carrion seine Isolation als
tröstlich. Nachdem Schwejksam befohlen hatte, Unseeli aus
dem Orbit zu sengen, und jedes Lebewesen auf dem Planeten
ausgelöscht worden war, hatte Carrion dort viele Jahre lang
allein gelebt und nur die Gespenster der ermordeten Ashrai zur
Gesellschaft gehabt. Carrion blieb auf Distanz zu allen Menschen – abgesehen von einer kurzen Zeit vor wenigen Jahren,
als Schwejksam zurückgekehrt war und den widerstrebenden
Carrion abgeholt hatte, um bei der Untersuchung des Geheimnisses von Basis Dreizehn zu helfen. Carrion hätte nicht gewusst, was er mit menschlicher Gesellschaft anfangen sollte,
selbst wenn sie ihm angeboten worden wäre. Er betrachtete
sich nicht mehr als Mensch und glaubte, dass er nur noch wenig mit denen gemeinsam hatte, die sich noch für Menschen
hielten. Er hatte kein Bedürfnis nach Gesellschaft oder Konversation. Er hatte überhaupt kein großes Bedürfnis mehr nach
irgendetwas.
Außer vielleicht nach Rache an den abtrünnigen KIs von Shub , die das Wenige vernichtet hatten, was ihm noch als Zuflucht und als Grund zum Leben geblieben war.
Jeder andere wäre an seiner Stelle sicherlich verrückt geworden – allein so viele Jahre lang auf einem fremden Planeten
zurückgelassen –, aber Carrion fand in seiner Einsamkeit eine
Art Absolution. Die Ashrai hatten ihn verändert, damit er dort
überleben konnte, wo es kein anderer Mensch vermocht hätte,
und Unseeli wurde zu seiner Heimat. Er wanderte stundenlang
durch die schimmernden Metallwälder, lauschte dem Wind, der
in ihren dornigen Zweigen sang, und vernahm zuzeiten auch
den Gesang der toten Ashrai. Die Bäume waren nicht einfach
nur Bäume, obwohl er sich nie ganz sicher war, was sie sonst
darstellen mochten, aber in ihrer Umarmung war eine Harmonie zu finden, und er wurde Teil davon. Er empfand Frieden,
ohne jemanden, den er oder der ihn hätte hassen müssen. Seine
Kriege gehörten der Vergangenheit an.
Das dachte er zumindest, bis die großen Schiffe von Shub kamen, den Himmel mit ihren schrecklichen Formen ausfüllten
und die Metallbäume aus dem Boden rissen, bis keiner mehr
auf Unseeli stand. Und an wen sonst konnte sich Carrion dann
noch wenden, wenn nicht an seinen alten Freund und Feind,
Kapitän Johan Schwejksam? Sie schlossen eine Art Waffenstillstand, und jetzt saß Carrion hier wieder an Bord eines Menschenschiffes und war erneut Investigator. Ein wirklich rauer
Scherz, aber nach Carrions Erfahrung war das Universum nun
einmal so. Die toten Wälder und die Geister der Ashrai schrien
nach Rache, und wenn das alles war, was seinem Leben noch
Sinn

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