Todtstelzers Schicksal
Feuerleitstellen, die Geschützluken und sonstigen Abwehrstationen, die zu wichtig waren, um sie den Lektronen der Festung
anzuvertrauen. Dazu waren Freiwillige nötig. Sogar Diana Vertue musste eine gute Chance einräumen, dass niemand an Bord
der Fluchtburg die bevorstehende Auseinandersetzung überlebte.
Derweil kümmerten sich die Arbeitsdrohnen um den Betrieb
der zahllosen Wartungssysteme, wie sie es schon seit neunhundert Jahren taten. Viele der lautlosen, sich selbst erneuernden
und bedingungslos gehorsamen Drohnen waren von menschenähnlicher Gestalt, stilisierte Metallkörper, die in Verfolgung
ihrer Aufgaben durch die Steinflure tappten. Ohnesorg ging
ihnen aus dem Weg, so gut er konnte. Sie verschafften ihm
eine Gänsehaut. Niemand hatte seit dem Aufstand der KIs
mehr Roboter in Menschengestalt gebaut.
Angestrengt konzentrierte er sich auf das Getränk in seiner
Hand. Eine kürzlich erfolgte neue Kartografierung der Burg
hatte überraschend zur Entdeckung eines ganz außergewöhnlichen Weinkellers geführt. Einige der Weine dort waren inzwischen so alt, dass sie eher Kunstwerken entsprachen als gewöhnlichen Getränken. Die schlechte Nachricht dagegen lautete, dass sich die synthetischen Lebensmittelspender der Burg
immer noch weigerten, etwas anderes zu erzeugen als stinknormale Proteinwürfel. Ohnesorg wollte nicht mal darüber
nachdenken, aus welchen wiederverwerteten Stoffen sie hergestellt waren.
Obwohl sie sich rasch einer Shub -Flotte näherten, die aller
Wahrscheinlichkeit nach die alte und mächtige Burg auf eine
gleich große Masse an altem und mächtigem Geröll verwandeln würde, konnte sich Ohnesorg nicht der Frage erwehren,
was er nach der Schlacht tun würde. Er wusste es besser, als
dem Wort von Königen oder Parlamenten zu trauen. Er wollte
dazu beitragen, Shub zu besiegen, falls möglich, und dann erneut verschwinden. Vielleicht zusammen mit Ruby, falls er sie
davon überzeugen konnte, dass seine Sache gerecht war. Er
seufzte leise. Es war unwahrscheinlich. Aber hoffen konnte er
immer.
Ruby lümmelte gerade in einem mehr als bequemen Sessel
am riesigen gemauerten Kamin und döste vor sich hin wie eine
Katze, eingelullt von den knisternden Flammen. Trotz ihrer
augenscheinlichen Entspanntheit ruhten die Hände unweit der
Waffen, und Ohnesorg wusste, dass Ruby innerhalb eines Augenblicks kampfbereit auf den Beinen sein würde, wenn die
Flotte von Shub gesichtet wurde. Sie schlug nur Zeit tot, bis sie
Gelegenheit fand, etwas richtig totzuschlagen. Ohnesorg hegte
oft den Verdacht, dass für Ruby alle Bequemlichkeiten des
Lebens nur Ablenkung bedeuteten, einen Zeitvertreib, bis sie
erneut tun konnte, wozu sie geboren war, und sich richtig lebendig fühlte. Zuzeiten erging es Ohnesorg nicht anders.
Er musterte Diana Vertue, die gerade mit Kapitän Eden
Kreutz von der Excalibur auf dem großen schwebenden Monitor sprach. Der Kapitän hatte sein jetziges Schiff frisch übernommen, ebenso das Kommando über die sieben Schiffe, die
die Fluchtburg begleiteten. Sein dunkles Gesicht wirkte ziemlich ruhig, und seine Stimme klang entspannt und gleichmäßig,
aber für Ohnesorgs erfahrene Augen war Kreutz’ Anspannung
trotzdem unübersehbar. Diana ihrerseits wirkte älter und selbstsicherer. Sie redete beruhigend auf Kreutz ein, gab sich hilfreich, ohne herablassend zu wirken. Und zeigte keine Spur von
Johana Wahn. Ohnesorg war es nur recht. Johana gehörte zu
den wenigen Leuten, die ihn immer noch nervös machen konnten.
»In einer knappen Stunde müssten wir auf die Shub Flotte
treffen«, sagte Kreutz. »Könnt Ihr mir denn gar nichts über
Euren fabelhaften Plan verraten, Vertue? Viele Menschenleben
hängen davon ab, sowohl hier als auch auf Golgatha. Falls wir
scheitern …«
»Das werden wir nicht«, hielt ihm Diana entgegen. »Habt ein
wenig Vertrauen, Kapitän. Man Plan hängt vom Überraschungsmoment ab. Und was Ihr nicht wisst … Ich bin sicher,
dass Ihr diesen Satz selbst vervollständigen könnt. Sagt mir
Bescheid, sobald die Shub Flotte in Sensorenreichweite ist. Bis
dahin: Vertue, Ende.«
Der Monitor verschwand und nahm das Bild von Kreutz mit.
Diana seufzte, drehte sich dann um und bemerkte, dass Ohnesorg sie betrachtete. Sie zeigte ihm ein müdes Lächeln. »Und
ehe du fragst: Nein, ich werde es auch dir nicht sagen.«
»Du musst ja sehr überzeugend gewesen sein, um die Zustimmung und Unterstützung des Parlaments für einen so …
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