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Todtstelzers Schicksal

Todtstelzers Schicksal

Titel: Todtstelzers Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Dramatische an. Ich hatte immer vor, auf
Finlays Begräbnis zu tanzen und zu jubeln. Einmal habe ich
ihm gar ins Gesicht gesagt, ich würde auf seinen Sarg pinkeln.
Er lachte nur. Aber jetzt ist er dahingegangen … und ich vermisse ihn. Niemand hat mir je die Stirn geboten, wie er es tat.
Im Rückblick scheint der größte Teil meines Lebens eine Reaktion auf das gewesen zu sein, was er tat und was er nicht tat.
Mit wem soll ich mich künftig streiten? Wer sonst ist stark
genug, dass ich an ihm meine Krallen wetzen kann? Ach, Evie!
Ich habe ja nicht geahnt, wie wichtig er für mich war, bis ich
ihn verloren habe.«
    »Es war gut, dass du gekommen bist«, sagte Evangeline. »Er
hat deine Kraft und deinen Mut immer bewundert.«
»Rede nicht so, meine Liebe. Du bringt mich nur wieder zum
Weinen. Du weißt, dass du herzlich willkommen bist, wenn du
eine Zeit lang bei uns wohnen möchtest.«
»Nein, danke. Ich bin im Moment wirklich nicht in Stimmung für Gesellschaft. Kommst du zurecht?«
»O natürlich, meine Liebe! Ich bin Überlebenskünstlerin, wie
jeder weiß. Rufe mich an, falls du irgendetwas brauchst.«
Adrienne tätschelte ein letztes Mal Evangelines Arm, sammelte ihre Kinder ein und führte sie weg. Robert kontrollierte
noch einmal, ob das Mausoleum auch wieder sicher abgeschlossen war, und gesellte sich zu Evangeline. Sie standen
verlegen zusammen und wussten beide nicht recht, was sie
sagen sollten. Sie hatten, von Finlay abgesehen, nie etwas gemeinsam gehabt, und sie hatten selbst ihm gegenüber nie die
gleichen Gefühle gehegt. Schließlich sagte Robert, es wäre eine
schöne Andacht gewesen, und Evangeline pflichtete ihm bei.
Das Wetter wäre allerdings eine Schande. Ja. Er fragte, ob er
irgendetwas für sie tun könnte, und sie sagte nein. Er verkündete, er wolle den Vikar bezahlen und sich um den unumgänglichen Papierkram kümmern, und sie beglückwünschte ihn zu
seiner kürzlich bekannt gegebenen Verlobung mit Konstanze
Wolf. Sie standen noch etwas länger zusammen, aber keinem
fiel mehr etwas ein, was er hätte sagen können. Robert verbeugte sich schließlich vor Evangeline und entfernte sich, wobei er den Vikar mitnahm, und alle verspürten eine gewisse
Erleichterung.
Und so stand Evangeline allein vor dem steinernen Mausoleum. Ein verdammt hässlicher Ort, aber einer, der der Familie
gehörte, und das hatte sich Finlay wahrscheinlich auch gewünscht. Es regnete immer noch. Graue Wolken für einen
grauen Tag. Evangeline zog die Kapuze ihres Umhangs etwas
tiefer, um das Gesicht vor dem Regen zu schützen. Ihre Hände
fühlten sich an, als gehörten sie jemand anderem. Als stünde
sie selbst schon im Begriff, den Rest ihres Lebens wie eine
Schlafwandlerin zu durchschreiten. Dabei war es ja nicht so,
dass sie nicht mehr als genug zu tun gehabt hätte. Nach Gregors Tod war sie die erste Kandidatin für seine Nachfolge als
Oberhaupt des Clans Shreck gewesen, aber sie hatte diese Ehre
ablehnen müssen. Sie hätte sich einem Gentest unterziehen
müssen, um ihre Abstammung nachzuweisen, und das konnte
sie nicht tun. Dabei wäre offenbar geworden, dass sie nur der
Klon der ursprünglichen, ermordeten Evangeline war, und das
hätte einen großen Skandal herbeigeführt. Es hätte sie auch
zum Ziel aller möglichen Fanatiker aus dem gesamten politischen Spektrum gemacht. Ein Klon, der erfolgreich als sein
Original auftrat und auf Jahre hinaus unentdeckt blieb, war der
schlimmste Albtraum der High Society, ein inakzeptabler Affront.
Also lehnte sie den Titel ebenso ab wie die gewaltige Erbschaft, die damit einherging, wobei sie als Grund angab, dass
sie von dem widerwärtigen Gregor Shreck nichts haben wollte.
Das konnten die Leute verstehen. Finlay hatte sich sehr zu ihrer
Überraschung als ausreichend praktisch veranlagt erwiesen, um
ein Testament aufzusetzen und seine meisten Angelegenheiten
in Ordnung zu halten. Er hinterließ ihr alles. Es gab sogar einiges Geld. Genug für mehrere Jahre, falls sie es sparsam ausgab,
und ein paar Schrankkoffer voller Habseligkeiten, die sie später
sortieren würde, wenn sie sich stärker fühlte. Grace Shreck
hatte eingewilligt, das neue Familienoberhaupt zu werden. Es
kamen nur sie und Toby infrage, und er war nicht interessiert.
Evangeline war auf eine distanzierte Art und Weise mit Grace
einverstanden. Grace war ehrlich und geradlinig und hatte das
Beste für die Familie im Sinn. Schade, was ihre politischen
Aktionen

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