Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
Vom Netzwerk:
nickte stumm, mit hängenden Schultern. Vor der Seuche hatten über zweihundert Orn hier gelebt. Mehr als zwanzig waren bereits tot und die meisten anderen krank.
    „Was denkst du: Soll ich Pera davon erzählen, oder abwarten, bis die Famár da ist und die Sache übernimmt?“
    „Warte noch ein oder zwei Tage. Vielleicht ist sie empfänglicher, wenn die Trauer um Tare ein wenig nachgelassen hat. Aber warte nicht zu lange, wir wissen nicht, wann die Famár eintrifft. Du weißt, sie können mit ihrer Magie ganz andere Wege beschreiten, vielleicht ist sie schon viel früher bei uns? Pera sollte möglichst nicht von ihrer Ankunft überrumpelt werden.“
    Wenn meine Kleine dann überhaupt noch lebt …
    „Ich fürchte nur, dass Pera Dummheiten machen könnte, um die Hochzeit zu verhindern, du kennst sie doch, Sviedra.“
    „Warte ab, wir werden ja sehen, was geschieht.“
    „Vielleicht will ich gar nicht sehen, was geschehen könnte“, erwiderte Kelan besorgt. Sviedra schüttelte bloß stumm den Kopf.
    Es ist falsch zu hoffen, sich an etwas zu klammern, das es niemals geben wird …
     

16.
     
    „Wenn du dich verirrt hast, suche die Augen der Eule. Das Zwillingsgestirn weist dir den Weg durch die Dunkelheit.“
    Allgemein bekannte Regel zur Orientierung in der Wildnis
     
     
    Ein wenig verwirrt stand Thamar mitten auf dem Dorfplatz und versuchte, nicht mit offenem Mund um sich zu starren. Seine Elfenführerinnen waren mit der schwarzhaarigen Frau verschwunden und hatten ihn hier zurückgelassen – zusammen mit etwa dreihundert Hexen.
    Er hatte stets geglaubt, es gäbe nichts in Enra, das Roen Orm an Vielfältigkeit und staunenswerten Treiben überbieten könnte, doch hier, in der geheimen Welt der Hexen, wusste er, das war ein Irrtum gewesen.
    Thamar sah junge Mädchen in langen, fließenden Gewändern, die in tödlicher Präzision und Geschwindigkeit Stockkampf und Bogenschießen trainierten. Unter ihnen waren dunkelhäutige Schönheiten aus Kireon, dem legendären Waldgebirge im Südosten des Kontinents, mandeläugige Vanearer und Mädchen mit Tätowierungen, wie sie an den Ostküsten üblich waren. Aus allen Gebieten Enras stammten sie anscheinend, verbunden nur durch das Schicksal, in ein und derselben Nacht des Jahres geboren worden zu sein. Da waren Frauen, die auf der bloßen Erde saßen, umgeben von blauem Licht, und offen mit magischen Energien arbeiteten. Manchmal gab es fühlbare Erschütterungen, meistens aber blieb verborgen, was das Ziel der Beschwörung war. Er entdeckte eine Greisin, die mehr einem verwitterten Baumstamm als einem menschlichen Wesen glich. Sie rührte energisch in einem mannshohen Kupferkessel und erklärte dabei einer Gruppe von Mädchen etwas in einer für Thamar unverständlichen Sprache. Aus dem offenen Fenster eines nahen Hauses hörte er Musik und Gesang. Thamar beobachtete eine Frau, die mit Kurzschwertern in der Hand einen wilden Schattenkampf vollführte, dabei gefährlich nahe an Gruppen von Hexen vorbei tanzte, ohne dass irgendjemand ihr die geringste Beachtung schenkte. Einige junge Frauen, gekleidet in schweren Brokatkleidern, übten konzentriert die komplizierten Schrittfolgen des Baruja, ein Tanz, der am Ulaunischen Hofe von König Aserdum sehr beliebt war. Thamar nickte anerkennend: Er hatte diesen Tanz nie meistern können. Als etwas sein Bein berührte, fuhr er
    zusammen. Nur Momente später versuchte eine tödliche Kraft seinen Brustkorb zu
    zerdrücken. Panisch versuchte er sich zu befreien, doch seine Hände glitten an dem schwarzgeschuppten Leib, der ihn gefangen hielt, hilflos ab.
    „Entschuldige bitte“, hörte er eine samtige Stimme, und sofort löste sich die stählerne Umklammerung. Schwer atmend starrte Thamar in grüne Augen, die voller Spott und Verachtung lächelnd zu ihm aufsah. Eine zierliche Frau mit weißblondem Haar stand vor ihm, die Würgeschlange war um ihren eigenen Leib gewickelt. Der Kopf des Reptils ruhte auf ihrer nackten Schulter, und erst dieser Anblick ließ Thamar verstehen, dass sie tatsächlich gar nichts am Körper trug, mit Ausnahme der nun friedlich züngelnden Schlange.
    „Willkommen, kleiner Prinz“, hauchte die Hexe, küsste Thamar auf beide Wangen und schritt dann gemächlich davon, mit lasziven Bewegungen und einem eisigen Lächeln auf den Lippen, das von Schmerzen und Tod sprach.
    Noch bevor er sich von dieser Begegnung erholt hatte, musste er plötzlich ausweichen, als zwei kämpfende Junghexen zu dicht an ihn

Weitere Kostenlose Bücher