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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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Bewegungen und amüsiere sich heimlich über seine Dummheit.
    Der Angriff erfolgte plötzlich, ohne Warnung: Ein grauer, unförmiger Schatten wälzte sich schwerfällig von den Bäumen herab, verfehlte ihn nur knapp, schlug krachend auf und blieb dann unbeweglich liegen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Neirun auf seinen Feind: Ein kleiner Felsbrocken. Hastig sprang er zurück und suchte in den Ästen nach weiteren Angreifern.
    „Elnos!“, wisperte er.
    Etwas streifte Neiruns Gesicht, laut aufschreiend sprang er zur Seite, stolperte und fiel. In diesem Moment stürzten sich die Elnos auf ihn nieder, kopfgroße, belebte Steine, jeder einzelne schwerer als Neirun selbst. Neirun barg seinen Kopf in den Armen, er schrie vor Schmerz, bis er das Bewusstsein verlor und die Schläge auf Beine, Arme und Rücken nicht mehr spürte.
     
    Neiruns plötzliches Verschwinden wurde im Dorf übergangen, niemand fragte nach seinem Verbleib, niemand trauerte offen um ihn. Zu viele waren schon gestorben, als dass man Kraft für
    Mitleid oder Trauer hätte aufbringen können – oder Hoffnung. Seit Sviedra, die Dorfälteste und Heilerin, vor einigen Tagen verkündet hatte, dass diese Seuche magischer Natur sein müsse, warteten alle nur noch auf den Tod.
    „Der Bannkreis schützt uns nicht länger.“ Diese einfachen Worte hatten beinahe einen Aufstand ausgelöst, denn der Bannkreis war alles, was
    Navill seit Jahrhunderten vor dem Untergang bewahrt hatte. Ausgeschlossen, dass irgendetwas ihn überschreiten konnte!
    „Es ist wahr, keine feindliche Magie kann den Schutzkreis überschreiten. Aber vielleicht unterwandern?“ Als Sviedra auf den Dorfbrunnen wies, wussten sie alle, dass sie verloren waren. Sollte die Krankheit wirklich über das Wasser zu ihnen gekommen sein, gab es keine Rettung mehr, denn sie alle hatten davon getrunken.
     
    Kelan, der Führer Navills, kämpfte mit sich. Sviedra hatte auch von einer möglichen Heilung gesprochen. Ein Pilz, der überall im Wald wuchs, sollte fähig sein, die Seuche zu besiegen, sofern er richtig zubereitet wurde. Das Geheimnis um diese Rezeptur wurde seit Generationen von Sviedras Familie gehütet, die Seuche war offenbar früher schon in Navill eingedrungen. Doch noch nie mit so viel zerstörerischer Macht, und noch nie war es gefährlicher gewesen, sich aus dem Bannkreis hinaus in die Wildnis vorzuwagen.
    Es gab keine Hoffnung.
    Langsam schritt Kelan nach Hause zurück. Gerade eben hatte er die Leiche seiner Frau Tare auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er spürte die vielen verborgenen Blicke, die ihm folgten. Er war der Anführer. Ihm hatte man den Beinamen
    „Der Starke“ gegeben, denn das war er immer gewesen, ein starker Mann und starker Führer. Die Orn von Navill hatten auf ihn vertraut und gehofft, aber er konnte ihnen nicht helfen. Stärke allein war hier nutzlos.
    Sein Haus schien ihm fremd und kalt ohne Tare.
    Stumm starrten seine beiden Kinder ihn an. Sie waren bereits erwachsen: Ivron, sein Sohn, war das Ebenbild seiner Frau, während Pera, die jüngere von beiden, eher nach ihm geraten war mit ihrem dichten nussbraunen Haar und dem ausgeprägten Starrsinn.
    Er wünschte so sehr, diese stumpfe Angst aus ihren Blicken löschen zu können, oder sich sicher sein zu können, dass kein verborgener Vorwurf darin stand.
    Gerade, als er sich zu ihnen setzen wollte, wurden vor seinem Haus Stimmen laut.
    „Kelan!“ Blarn, sein Nachbar und Freund, riss ohne zu klopfen die Tür auf.
    „Kelan! Du musst kommen! Das musst du sehen!“, schrie er. Erregt, wie Kelan ihn selten erlebt hatte, fuchtelte Blarn mit den Händen, schnappte nach Luft, versuchte zu sprechen, gestikulierte weiter wie wild und rief dann ungeduldig:
    „Nun komm endlich! Du wirst es nicht glauben, es ist ein Wunder, ein Zeichen!“
    Schulterzuckend folgte Kelan ihm nach, er glaubte schon lange nicht mehr an Wunder. Seine Kinder kamen unaufgefordert hinterher.
    Auf dem Marktplatz hatten sich alle versammelt, die noch laufen konnten. Alle starrten auf einen Vogel, der unruhig seine Kreise über ihren Köpfen zog und einen Platz zum Landen suchte. Es war nichts Ungewöhnliches an ihm zu erkennen, und wenn er durch den Bannkreis geflogen war, musste er unmagisch sein.
    „Was ist denn mit dem Vogel?“, rief Pera verwirrt.
    „Eine Addart! Das ist eine Addart, sieh doch nur!“, flüsterte Kelan. Ein mystisches Tier, das als ausgestorben galt, es war einfach unglaublich!
    Der seltsame behäbige weiße Vogel flog

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